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Kultur: Von der Offenbarung einer schön gestrichenen leeren Saite

Konzerte in freier Luft sind manchmal eine windige Angelegenheit. Diesen Unbill konnte das Rebecca Clarke Trio im verkehrsumtosten Hof des Podewil - bewaffnet mit Wäscheklammern und Steinchen für die Notenständer - noch ganz gut steuern.

Konzerte in freier Luft sind manchmal eine windige Angelegenheit. Diesen Unbill konnte das Rebecca Clarke Trio im verkehrsumtosten Hof des Podewil - bewaffnet mit Wäscheklammern und Steinchen für die Notenständer - noch ganz gut steuern. Gegen eine von ihnen selbst ausgehende Unbill dagegen helfen nur noch die Waffen der Kritik. An dem Violinspiel von Nora Piske und dem Cellospiel von Jan Hendrik Rübel konnte man die verheerende Wirkung eines falsch und undifferenziert eingesetzten Vibratos studieren. Die beiden haben wunderschön klingende Instrumente und auch einen charaktervollen Strich, sind überhaupt wie alle diese jungen Virtuosen, die von Wettbewerb zu Wettbewerb, von Meisterkurs zu Meisterkurs, von Preis zu Preis stürmen, technisch äußerst versiert. Aber sie verdarben sich ihr Spiel mit einem obligaten Vibrato, das jeden Tonumfang derart wimmernd auswalzt, daß man manchmal gerne gewußt hätte, welcher Ton nun eigentlich gemeint war.In dem selbst schon an einer flatterhaft aufgebauschten puritanischen Grundhaltung leidenden Klaviertrio der Namenspatronin Rebecca Clarke von 1921 setzten einkreisende Fingervibrati ein von der Komponistin gezielt eingesetztes, akzentuierendes Bogenvibrato einfach außer Kurs. In Schumanns g-Moll-Trio beraubte die gleiche unbeherrschte Fiebrigkeit Triller und Doppelschlagfiguren ihrer Wirkung, im Dumky-Trio von Dvorák kamen die schönsten Schleifen nicht zum Zuge. Enges Vibrato, eigentlich zum Straffen des Klangs, weites Vibrato für gesteigerte Legato-Kantabilität gedacht, waren an verkehrten Stellen angebracht. Der Schumann zerfiel völlig, auch wegen fragwürdiger Tempi. Schumanns "doch nicht zu" oder "ziemlich" sind vielen Musikern immer noch versiegelte Wörter. Dvoráks sechs Dumka-Tänze, jeder für sich mehrdeutig, wurden dann nicht nur mit etwas mehr Witz und Schärfe präsentiert, es ereignete sich auch die Offenbarung einer schön gestrichenen leeren Saite. Das katzenartige, geschmeidig-energische Doppel von Beate Ramisch am Klavier ist dieses Trios große Zier.

PETER SÜHRING

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