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Kultur: VOR - Babel & Co

Schon mal was von Rory Long gehört? Er starb im Jahr 2017 in Laguna Beach an einer Kugel, die ihm ein "junger Schwarzer" namens Baldwin Rocha in den Kopf schoß".

Schon mal was von Rory Long gehört? Er starb im Jahr 2017 in Laguna Beach an einer Kugel, die ihm ein "junger Schwarzer" namens Baldwin Rocha in den Kopf schoß".Zu seinen Werken gehörte "ein Gedicht, in dem Leni Riefenstahl mit Ernst Jünger vögelt.Ein Hundertjähriger mit einer Neunzigjährigen.ein Zusammenstoß von toten Knochen und abgestorbenem Gewebe.Herr im Himmel, sagte sich Rory in seiner großen, stinkenden Bibliothek, der alte Ernst rammelt sie ohne Erbarmen und die deutsche Nutte will mehr, mehr, mehr.Schönes Gedicht: Die Augen des alten Paars funkeln beneidenswert, und sie blasen und lutschen aneinander herum, bis die alten Kiefer knacken."

Rory Long ist ein Vertreter der "Naziliteratur in Amerika".So heißt ein Kompendium fiktiver Schriftsteller-Biographien des 1953 geborenen Chilenen Roberto Bolano.In den Text der lateinamerikanischen Zeitgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg (von der sogenannten Rattenlinie, auf der Nazis beispielsweise nach Argentinien geschleust wurden, bis zur unmittelbaren Gegenwart) dreht Bolano die roten, genau genommen braunen Fäden erfundener Lebensläufe.Dabei geht es nicht immer so grob zu wie in dem geriatrischen Porno, aus dem ich zitiert habe.Oft sind Bolanos Stories so eng mit der Historie verwoben, daß man Fiktion und Fakten kaum trennen kann.Das ist bei diesem skurrilen, politisch aufgeladenen Literatur-oder-Leben-Spiel natürlich beabsichtigt, wovon man sich morgen abend um 19 Uhr im Literarischen Colloqium überzeugen kann, wo Roberto Bolano zusammen mit seinem Übersetzer Heinrich von Berenberg auftritt.

Ebenfalls morgen abend liest im Rahmen der Reihe "Budapest - Berlin" um 20 Uhr im Studio der Akademie der Künste unter anderem Imre Kertész.Sein "Roman eines Schicksallosen" wurde in dieser Kolumne als ein "Jahrhundertbuch" der Leserschaft empfohlen, was ausdrücklich noch einmal bekräftigt werden soll, auch wenn ich die unerhörte Qualität dieses Buches hier nicht en passant deutlich machen kann.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit als "Tip der Woche", blöder Ausdruck in diesem Zusammenhang, an "Der Schmerz" von Marguerite Duras erinnern.Darin berichtet sie, wie ihr fast verhungerter Mann Robert Antelme aus dem KZ nach Hause gebracht wurde, wie sie ihn ganz allmählich ins Leben zurückfüttert und dann verläßt.Auch Antelme hat ein Buch über die Lager geschrieben.Es heißt "Das Menschengeschlecht" und ist beschämernderweise in Deutschland derzeit nicht lieferbar.

Am 9.Mai ist Muttertag (Blümchen und Anrufe nicht vergessen!), am Tag zuvor feiert das Vaterland 50sten.Deshalb gibt es tagsüber in der Philharmonie eine ganze Reihe von Veranstaltungen mit dem üblichen Personalquerschnitt der Honoratiorenschaft.Der Abend wird ab 22 Uhr 30 beschlossen mit einem "Wolf Biermann Special".Nach den "kritischen" Diskussionen tagsüber kann man dann nachts mit dem Wolf heulen.Im Kammermusiksaal.Der gute alte Biermann ist eben auch nicht mehr der Jüngste.

Benjamin Lebert schon: Siebzehn.Sein Anfang dieses Jahres erschienener erster Roman heißt "Crazy" und wurde vor einiger Zeit von Frau Heidenreich als literarisches Wunderding vorgespiegelt.Den dazu gehörigen Knaben kann man am Freitag um 20 Uhr bei einer Lesung in der Buchhandlung Kiepert (Filiale Schönhauser Allee 78) besichtigen.

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