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Kultur: Warte, bis es dunkel wird

Horror aus dem Unterholz: Rob Schmidts „Wrong Turn“

Selbst dem Horror fehlt heutzutage vor allem eins: Zeit. Wo bei Psychothrillern wie „Dressed To Kill“ oder „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ noch halbe Ewigkeiten vergingen, bis die Messer aufblitzten, sitzt dem Kinogänger die Angst inzwischen von Anfang an im Nacken. Seitdem das Genre mit Filmen wie „Scream“ (1996) und „Ich weiß, was Du letzten Sommer getan hast“ (97) rundumerneuert wurde, muss das Blut möglichst schon vor dem Vorspann fließen. In „Wrong Turn“ tropft es einen Felsen herunter. An dem Felsen hängt eine Bergsteigerin. Das Blut stammt von ihrem Freund, der vor ein paar Minuten die Felsspitze erreicht hatte. Danach war nichts mehr von ihm zu sehen. Nur ein hässliches sirrendes Geräusch war zu hören und ein dumpfer Schrei. Panisch versucht die Bergsteigerin zu entkommen. Aber im Intro eines Horrorthrillers gibt es kein Entkommen.

In den Wäldern West Virginias stehen uralte Bäume, die bis zu dreißig Metern aufragen. Mächtig rauscht der Wind durch die Wipfel, darunter erreicht kaum ein Sonnenstrahl den Boden. Es ist keine gute Idee, hier von der Straße abzubiegen. Der Medizinstudent Chris (Desmond Harrington) tut es trotzdem, weil er einen Bewerbungstermin in Raleigh hat und der Highway blockiert ist. Mit seinem Ford Mustang Cabrio rast er in den Wagen einer Gruppe junger Campingurlauber (weitere Twentysomethings: Eliza Dushku, Emmanuelle Chriqui, Jeremy Sisto, Kevin Zegers). Die jungen Menschen machen sich zu Fuß auf die Suche nach einem Telefon. Die Dialoge dabei sind in ihrer ratlosen Schlichtheit Klassiker des Horror-Genres: „Es wird bald dunkel“ – „Wir müssen diese verdammte Straße finden“ – „Hier stimmt etwas nicht“. Fliegen surren, am Wegesrand liegen Tierkadaver. Schließlich entdecken die Wanderer eine hexenhausartige Waldhütte. Auf dem Herd steht ein Topf, in dem Knochen kochen. Einer fragt: „Kennt Ihr den Film ,Beim Sterben ist jeder der erste’ ?“

Derlei selbstreferenzielle Ironie passt zu einem Film, der den Zuschauer mit dramaturgischer wie technischer Perfektion von einem Schrecken zum nächsten jagt. Nach „Resident Evil“, der über 100 Millionen Dollar einspielte, ist „Wrong Turn“ die zweite Produktion, mit der sich die Münchner Constantin auf dem internationalen Markt versucht. Regie führt Rob Schmidt, der bisher vorwiegend fürs Fernsehen arbeitete, das Special-Make-up stammt von Stan Winston, der schon den „Terminator“ und die „Alien“-Königin schuf.

In „Wrong Turn“ nimmt das Böse besonders unschöne Gestalt an: Die „Mountain Men“ sind deformierte, hinkende, schnaufende Männer, deren Gesichter an zerquetschte Hydranten erinnern. Sie töten mit Äxten oder Pfeil und Bogen. Von den im Gehölz verlorengegangenen Jungmenschen ist bald nur noch ein Pärchen übrig. Das Mädchen sagt: „Wir werden heiraten und nie mehr einen Fuß in die Wildnis setzen.“ Wer diesen Film gesehen hat, wird den Wald eine Zeit lang meiden.

14 Berliner Kinos, OV im CineStar SonyCenter

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