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Kultur: Warten, warten, warten...im Berliner Hebbel-Theater

Irgendwo in der Niederlausitz könnte es das Dorf Alt-Kreumel geben. Oliver Bukowski jedenfalls nennt so den Ort des Geschehens für eine Tragödie: "Gäste".

Irgendwo in der Niederlausitz könnte es das Dorf Alt-Kreumel geben. Oliver Bukowski jedenfalls nennt so den Ort des Geschehens für eine Tragödie: "Gäste". Aber ist es eine Tragödie? Zumindest eine mit grimmiger Komik über Wendewirren und lähmende, lastende Jahre danach. Der Versuch, die alte Ordnung wie Mist herauszukarren aus dem Dorf, scheitert kläglich. An Menschen und Umständen. Zwar wird der Saustall zum Hotel, aber Gäste kommen nicht. Metzger, Bauern, Pfarrer und eine zugereiste Töpferin warten, warten, warten. Allein der Alkohol hilft über die Zeit. Als endlich doch der Gast - ein Gast - kommt, hängt sich ganz Alt-Kreumel an diesen Heilsbringer, bis zum Exzess. Aber es gibt kein Heil. Der umschwärmte Landvermesser geht wieder, die debile Schönheit des Dorfes unterm Arm. Alles ist nur noch schlimmer geworden.

Hauptmanns "Fuhrmann Henschel" oder "Rose Bernd" sind da nicht weit. Auch Bukowski schafft in einer "aus dem Mundartlichen gewonnenen" Sprache lastende Atmosphäre, undurchdringlich wie dichter Nebel. Seine Figuren lauern auf irgend etwas, das von außen kommen muss. Sie können nicht leben im Niemandsland zwischen dem Vergangenen und dem unbegreiflich Anderen, Gegenwärtigen, in dem sie jede Orientierung verloren haben. Allein die Wirtin Kathrin macht den Versuch, zu sich selbst zu gelangen, dem moralischen und ökonomischen Verfall Widerstand zu leisten. In ihrem Scheitern steckt die Tragödie.

Oliver Bukowski hat im "theater 89" seine Heimat gefunden, sechs seiner Stücke kamen dort seit 1992 zur Aufführung. Das Rücksichtslose der dramatischen Schilderungen wurde dabei aufgefangen und deutlich gemacht in einem Humor, der Zugänge zu den merkwürdig verformten Figuren immer offen lässt. Überlegenheit zeichnet die Aufführungen des kleinen Theaters aus - Überlegenheit, die aus dem genauen Wissen um gegebene Lebensumstände in den zumeist in der Niederlausitz angesiedelten Stücken kommt.

Das war auch beim Gastspiel mit der von Hans-Joachim Frank inszenierten Tragödie "Gäste" im Hebbel-Theater der Fall. Schon seit längerem sucht das "theater 89" neue Räume für seine künstlerische Arbeit. Es will heraus aus der Enge der Heimatbühne in der Torstraße 216. In Niedergörsdorf, in der ehemaligen Kantine der "Knorr-Bremse" in Berlin-Marzahn, in der Kulturbrauerei Prenzlauer Berg und im Hebbel-Theater wird gespielt. Ideale Bedingungen für die Zuschauer können dabei allerdings nicht immer geschaffen werden. .

Hans-Jochen Frank findet für das Geschehen in Alt-Kreumel einen verstörenden Rhythmus. Die Figuren kommen wie aus einer geistigen Lähmung, finden dann in heftige Aktionen, die oft "stehen" bleiben und in lastende Pausen münden. Ein Zustand wird gezeigt, der sich noch nicht völlig verfestigt hat, noch rütteln die Dörfler an ihren Fesseln. Das Ensemble um die nachdenkliche, stämmige, stille Kathrin der Marie Gruber wurde herzlich gefeiert. Denn nicht zuletzt gab es für das Gastspiel im Hebbel-Theater einen besonderen Anlass. Die "Berliner Morgenpost" wählte "Gäste" als die herausragende Inszenierung des Jahres 1999 aus und verlieh dem "theater 89" ihren Friedrich-Luft-Preis.

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