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Kultur: Warum in die Ferne

Erinnern Sie sich noch an Louis Lortie ? Der Kanadier machte vor einigen Jahren von sich reden, als er in Berlin innerhalb einer Saison alle 32 Klaviersonaten Beethovens aufführte – ein Projekt, dass ihm von Seiten der Presse immerhin das Lob einbrachte, er spiele „den schönsten Beethoven seit Wilhelm Kempff“.

Erinnern Sie sich noch an Louis Lortie ? Der Kanadier machte vor einigen Jahren von sich reden, als er in Berlin innerhalb einer Saison alle 32 Klaviersonaten Beethovens aufführte – ein Projekt, dass ihm von Seiten der Presse immerhin das Lob einbrachte, er spiele „den schönsten Beethoven seit Wilhelm Kempff“. Eigentlich sollte ein Pianist, der diesen Zyklus meistert, fortan eine feste Größe in der Stadt sein. In der Folgezeit war Lortie allerdings nur sporadisch in Berlin zu hören, und das, obwohl der 48-Jährige sogar hier lebt. Diesmal hat er es allerdings geschafft, sein wichtigstes Saisonprojekt nicht nur in London, Florenz und Mailand, sondern auch im Konzerthaus zu präsentieren: zwei Programme, die der Wechselbeziehung zwischen Liszt und Wagner gewidmet sind. Wie eng dieses Verhältnis nicht nur familiär, sondern auch musikalisch war, zeigt schon der erste Abend am Samstag, der mit den Klavierfassungen der „Tannhäuser“-Ouvertüre und des „Liebestods“ zwei der bekanntesten Transkriptionen Liszts einschließt. Mit Michaela Schuster hat sich Lortie außerdem eine der derzeit gefragtesten Wagner-Heroinen für die Wesendonck-Lieder geholt. Die Mezzosopranistin aus Fürth dürfte den hauptstädtischen Wagnerianern als Kundry im neuen Staatsopern-„Parsifal“ noch in bester Erinnerung sein.

Noch außergewöhnlicher ist der zweite Abend tags drauf, den Lortie zusammen mit der jungen französischen Pianistin Hélène Mercier bestreitet: Neben Arrangements des „Siegfried-Idylls“ und der lisztschen „Préludes“ spielt das gemischte Doppel unter anderem das höchst selten zu hörende „Concerto Pathetique“ für zwei Klaviere.

Dass international erfolgreiche Musiker trotz Berliner Wohnsitz nur selten hier zu hören sind, ist übrigens kein Einzelfall – man denke etwa an Lorties Kollegen Markus Groh, dessen Debüt-CD mit Liszts h-moll-Sonate die britischen Fachblätter im vergangenen Jahr zu wahren Hymnen hinriss. Wahrscheinlich hilft da nur, sich selbst um Konzerte zu kümmern – so wie es das Artemis-Quartett seit einiger Zeit tut. Drei Abende pro Saison bietet das Ensemble im Kammermusiksaal an, und bisher war das Echo trotz (oder gerade wegen?) der anspruchsvollen Programme überaus positiv. Auch beim Konzert am kommenden Sonntag gehen die vier keine Kompromisse ein: Neben Brahms’ c-moll-Quartett stellen sie zwei Werke mit Sopranbeteiligung – Arnold Schönbergs zweites Quartett sowie das fünfte von Jörg Widmann, Deutschlands derzeit meistbeschäftigtem jungen Komponisten. Es singt Juliane Banse – und die wohnt übrigens nicht in Berlin.

Jörg Königsdorf

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