zum Hauptinhalt

Kultur: Was bedeutet Reform von Kultureinrichtungen?

Eine gründliche Reform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat deren künftiger Präsident soeben angekündigt.Anderenorts ist man weiter - so in Hamburg, wo die Museen in Kürze in eigenständig handelnde Einrichtungen umgewandelt werden.

Eine gründliche Reform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat deren künftiger Präsident soeben angekündigt.Anderenorts ist man weiter - so in Hamburg, wo die Museen in Kürze in eigenständig handelnde Einrichtungen umgewandelt werden.Die dortigen Neuerungen erläutert der Direktor der Hamburger Kunsthalle.

Für die Hamburger Museen beginnt die neue Zeitrechnung nicht erst im Jahr 2000, sondern bereits am 1.Januar 1999.Die im 19.Jahrhundert von Bürgern initiierten und vom Staat ins Werk gesetzten Stätten der Bildung und der Wissenschaft werden auf eigenes Betreiben aus dem staatlichen Verband entlassen: eine Entscheidung im Sinne von Emanzipation und Autonomie, eine - wie ich meine - Jahrhundertentscheidung.

Nach dreijähriger gründlicher Vorarbeit werden die sieben staatlichen Museen in einzelne Stiftungen öffentlichen Rechts überführt.Eine gemeinsame Stiftung für alle diese Häuser wurde wegen der anderswo zu beobachtenden negativen Erfahrungen mit aufgetürmte Hierarchie und doppeltem Verwaltungsaufwand verworfen - beides soll ja in der neuen Struktur gerade abgeschafft werden: unnütze Hierarchie und überflüssiges Verwalten.

Selbständigkeit ist gewollt, rasches, flexibles Handeln gefordert.Sämtliche Entscheidungen werden künftig in den Häusern selbst von den Museumsfachleuten nach sachbezogenen Gesichtspunkten gefällt.Weder Politik noch Verwaltung reden von außen hinein.

Initiative der Häuser

Geführt werden die Stiftungen von einem Vorstand, bestehend aus Direktor und kaufmännischem Geschäftsführer, und beaufsichtigt werden sie von einem Stiftungsrat, dessen Vorsitz die Kultursenatorin oder der Kultursenator inne hat.In diesem zehnköpfigen Gremium sitzen zwei Vertreter der Museumsfreunde und der Stifter sowie drei Museumsmitarbeiter; die anderen sind berufene Leute der Kultur und der Wirtschaft.

Die Initiative ging ursprünglich von den Museumsdirektoren aus.In ihren Überlegungen zur Strukturreform der Hamburger Museen hieß es 1995: In einer völlig veralteten Form seien die Museen, die sich mittlerweile zu hochattraktiven kulturellen Zentren ausgewachsen hätten, offiziell noch immer "nachgeordnete Dienststellen" der Kulturbehörde; es müsse andersherum gehen: die Verwaltung im Dienst der eigentlichen kulturellen Arbeit.

Veraltet sei auch das Prinzip der "freiwilligen Zuwendungen" von der Stadt.Vertragliche Vereinbarungen seien notwendig, die einerseits die im Auftrag der Öffentlichkeit zu erfüllenden Bildungsaufgaben, andererseits die dazu erforderlichen finanziellen Leistungen der Stadt festlegten.Um Vertragspartner werden zu können, müßten die Museen in neue Rechtsformen übergehen.

Überdies sei angesichts rapide sinkender Zuwendungen - die Hamburger Kunsthalle beispielsweise büßte zwischen 1991 und 1995 52 Prozent ihrer Zuwendungen für Sachausgaben ein - entschieden mehr Flexibilität im Umgang mit den Mitteln vonnöten: statt der staatlich verordneten, starren Kameralistik die kaufmännische Buchführung mit Übertragbarkeit der Mittel, gegenseitiger Deckungsfähigkeit in alle Richtungen, Möglichkeit zur Kreditaufnahme für aufwendige Ausstellungen oder teure Ankäufe.Tochtergesellschaften etwa zur kommerziellen Verwertung von Rechten an Werken und Räumen müßten möglich werden.

Schließlich sei die gesamte Verantwortung in den Museen anzusiedeln, alle Entscheidungen müßten von ihnen selbst getroffen werden, die Eigenverantwortung auch in finanziellen Fragen sei auf den verschiedenen Ebenen zu stärken.

Seitdem haben wir uns in der Hamburger Kunsthalle bereits auf diese Umstellung vorbereitet.Seit drei Jahren denken und handeln wir im Sinne der kaufmännischen Buchführung.Nach und nach haben wir alle Einnahmen uneingeschränkt übertragen bekommen, haben wir uns auf ein Budget umgestellt, innerhalb dessen wir selbst die Prioritäten setzen, haben wir auch den Abteilungen und den kleineren Einheiten Budgets zur eigenen Verwaltung übergeben, haben wir lernen müssen, daß wir mehr einzunehmen haben, wenn wir mehr ausgeben wollen, das heißt wichtige Kunstwerke ankaufen, noch anziehungskräftigere Ausstellungen in Szene setzen oder wissenschaftliche Projekte verwirklichen wollen.

Pflicht des Staates bleibt

Während wir also diese erheblichen Reduktionen der staatlichen Mittel hinnehmen mußten, konnten wir durch das Entschlacken des Etats und durch zusätzliche Einnahmen, vor allem aber durch effizientes kaufmännisches Handeln unseren Aktionsrahmen erweitern.Diese ersten Erfahrungen sind durchweg positiv, auch im Hinblick auf die erweiterte Verantwortung der Mitarbeiter.

Natürlich ist der Staat nicht aus seiner Pflicht entlassen.Im Gegenteil.Während die Zuwendungen bislang freiwillig waren, werden sie jetzt vertraglich, also beide Seiten verpflichtend vereinbart, und während man bisher als Bittsteller auftrat, wenn es um Mittel für die Erhaltung der Gebäude ging, werden in weiterer Zukunft Mietverträge die Aufgaben und die Pflichten beider Seiten regeln.

Verselbständigung ist keine Privatisierung.Verkauft wird nichts.Die Museumsgebäude und die Sammlungen bleiben Eigentum der Freien und Hansestadt Hamburg.Die beiderseitigen Verantwortlichkeiten sind vertraglich geregelt.

Die Sparzwänge haben als Anstoß bei der Strukturreform der Museen sicher eine Rolle gespielt.Viel wichtiger aber war den Hamburger Museumsdirektoren - wie Kultursenatorin Christina Weiss - das inhaltliche Konzept fürs 21.Jahrhundert.Denn zu allererst ging und geht es nicht um Finanzen, Gewinne und Kommerz, sondern darum, die angestammten Aufgaben des Museums - Sammeln, Bewahren, Erforschen, Vermitteln - auch in knappen Zeiten publikumswirksamer zu gestalten.

Ein Haus wie die Hamburger Kunsthalle ist mittlerweile zu einem selbständigen Bildungsunternehmen auf non-profit-Basis geworden.Die Prämissen für die neue Zeitrechnung sind - zumal mit unserer 1997 eröffneten Galerie der Gegenwart - nicht schlecht: jährlich mehr als 400 000 Besucher, monatlich rund 100 öffentliche Vermittlungsveranstaltungen, fast 10 000 Mitglieder der "Freunde der Kunsthalle".

Kunsthistorische Gralshüter werden sich graulen, wenn sie hören, daß wir in einer Ausstellung des englischen Symbolismus einen "Tag der rothaarigen Frauen" veranstaltet haben, daß wir - vor allem, aber nicht nur für Singles - sonntäglich ein "Untitled Breakfast" mit Kunstgenuß in unserer Galerie der Gegenwart bieten, daß wir demnächst einen "Club 99" für Freunde von Künstlervideos gründen, daß wir im Internet eine virtuelle Dependance unserer Galerie der Gegenwart etabliert haben.Wir aber sind nicht für den Gral da.

Die heiligen Hallen, in denen sich die Museumsleute am liebsten allein aufhielten, sind das Museum von vorgestern.Für Museumsleute von heute ist das schönste Museum ein volles.

Der Publikumsgeschmack

In den Feuilletons indes wird gezetert, die Museen überließen sich besinnungslos dem Trubel, erstickten das Schöne unter Besuchermassen und verrieten die Kunst in ihren Shops.Tatsächlich stellt sich gerade im Rahmen der Verselbständigung die Frage, ob man sich unter dem Effizienzdruck davor bewahren kann, immer stärker dem Pubikumsgeschmack zu frönen und den verbreiteten Event-Bedürfnissen nachzugeben.

Wir haben es in der Hamburger Kunsthalle bisher geschafft, wissenschaftliche Ansprüche, Museumsmoral und Erfolg miteinander zu verbinden.Warum soll es uns nicht auch weiterhin gelingen, mit einigem fachlichen Verstand, mit den bißchen kaufmännischem Geschick, gelegentlich zündenden Ideen und viel Selbständigkeit?

UWE M.SCHNEEDE

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false