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Kultur: Was heißt es, Glück mit Büchern zu haben, Frau Kunstmann?

Frau Kunstmann, macht Sie die gegenwärtige Krise der Verlagsbranche und des Buchhandels, der sieben Prozent Umsatz verloren hat, nervös? Oder ist das nur ein zyklisches Klagen, das regelmäßig im Herbst einsetzt?

Frau Kunstmann, macht Sie die gegenwärtige Krise der Verlagsbranche und des Buchhandels, der sieben Prozent Umsatz verloren hat, nervös? Oder ist das nur ein zyklisches Klagen, das regelmäßig im Herbst einsetzt?

Nein, das ist dieses Mal eine richtige Krise, und das worüber wir jahrelang geredet haben, kommt jetzt zu sich. Alle Probleme, die wir eigentlich schon lange auf dem Tisch haben, kann nun keiner mehr wegwischen.

Ihre Kollegen Ida und Klaus Schöffling beklagen das aggressive Gebaren der großen Buchhandlungen und Buchkaufhäuser gegenüber Vertretern kleinerer Verlage: Die würden kaum mehr vorgelassen und die Titel zu kurz präsentiert. Teilen Sie diese Kritik?

Es gibt solche strukturellen Probleme. Die Vertreter werden zum Teil nicht mehr zu Verkaufs-, sondern nur noch zu Beratungsgesprächen empfangen. Das ist für uns ein Riesenproblem, weil dann viele Titel übers Barsortiment bestellt werden, und wir nicht mehr wissen, wer wirklich unsere Kunden sind und wie unsere Absätze in den großen Buchhandlungen aussehen, die für uns sehr wichtig sind. Denn das Programm meines Verlags, genauso wie bei Schöffling in Frankfurt oder Wagenbach in Berlin, ist ein städtisches. Dazu kommt der extreme Druck bei den Rabatten. In so einer verzweifelten Situation haben die großen Verlage einfach mehr Möglichkeiten. Die Kunden kommen natürlich trotzdem alle, wenn es Bestseller gibt. Dadurch verstärkt sich der Zwang, solche Bücher zu haben, immens.

Sind denn Ihre zehn neuen Herbstbücher alle in der Buchhandlung greifbar?

Alle leider in den seltensten Fällen. Aber es gibt viele Buchhandlungen, die unser Programm pflegen. Das geht quer durch die kleinen Läden und solche mit tlerer Größe – aber ich kann mich auch nicht über Ketten wie Hugendubel beschweren. Wir sind auf engagierte Buchhändler angewiesen, die sich für unser Programm einsetzen, es ihren Kunden empfehlen. Die kleinen Geschäfte sind jetzt unglaublich unter Druck geraten. Das hängt oft mit der Lage oder der Miete zusammen. Die Krise zeigt sich übrigens auch daran, dass der Buchhandel in diesem Jahr Titel schneller remittiert als je zuvor. Das heißt, dass den Büchern immer weniger Zeit zugestanden wird, sich durchzusetzen. Das setzt alle Verlage unter Druck und ist für Autoren ein Alptraum.

Fehlt Ihnen ein besonderes Vertriebsmedium wie das „Literarisches Quartett“, bei dem Sie 2001 zu Gast waren?

Natürlich fehlt es, weil man zumindest die Chance hatte, manche Autoren einem größeren Publikum vorzustellen, das man ohne diese Sendung viel schwerer oder gar nicht erreicht hätte. Wir haben das mit Rafael Chirbes erlebt. Das Problem scheint mir zu sein, dass ganz allgemein die Räume für das Vorstellen neuer Bücher zusammenschmelzen. Der Platz für Rezensionen nimmt in der Krise ab, Zeitungen reduzieren, Fernsehsendungen werden abgesetzt oder immer weiter in die Nacht verschoben. All diese Gründe wirken zusammen, so dass es richtig schwer geworden ist. Wir müssen uns etwas Neues einfallen lassen!

Liegt es auch an der Überproduktion von Titeln?

Meiner Meinung nach ja. Alle machen angeblich weniger, insgesamt sind es dann doch wieder mehr Neuerscheinungen, im letzten Jahr fast 90 000. Das kann kein Mensch mehr bewältigen. Es gibt ja so viele überflüssige Sachen, zum Beispiel der fünf zehnte Ratgeber über Apfelessig. Ein Wachstum, das sich im wesentlichen in der Anzahl der Bücher ausdrückt, ist krank. Quantitative Marktführerschaft macht in einer Branche, die mit Kultur handelt, wenig Sinn.

In diesem Zusammenhang fällt oft das Stichwort „Mischkalkulation“. „Schmonzes finanziert Lyrik“, nennt es Ihr Berliner Verlegerkollege Klaus Wagenbach. Ist dieser Begriff überhaupt auf Ihr Programm anwendbar?

Mit der Mischkalkulation arbeiten wir alle, aber das ist etwas ganz Irrationales. Jeder Verlag subventioniert Bücher mit anderen, die gut gehen. Doch kann man das Mischverhältnis nicht genau vorhersehen. Und das erklärt man Leuten, die dieses Geschäft nicht kennen, sehr mühsam. Sonst könnte man ja einfach die Bücher weglassen, die sich nicht rechnen. Aber das geht nicht, denn dann hat man kein Programm mehr.

Wie ist das zum Beispiel mit dem französischen Debütanten Laurent Graff und seinem skurrilen Altersheim-Roman „Feierabend“ in Ihrem Herbstprogramm: Wie wird für dieses Buch geworben?

Wir machen auch für Graff eine intensive Pressearbeit. Unsere Mittel für Anzeigen sind bescheiden, und Publikumswerbung hilft sowieso nur Büchern, die schon laufen oder zumindest im Gespräch sind. Wir betreiben für jeden Titel gezielt Werbung, zum einen im Handel und dann in Blättern, von denen wir glauben, dass sie von Leuten gelesen werden, die sich für das Thema interessieren.

Hat die jetzige Entwicklung auch mit den zum Teil astronomischen Vorschüssen zu tun, die in den letzten Jahren selbst für Anfängerautoren gezahlt wurden?

Es ist so schlicht wie wahr, dass der Vorschuss zurückverdient werden muss, sonst hat der Verlag und in Zukunft auch der Autor ein Pr oblem. Die Spirale hat sich immer weiter nach oben gedreht, geradezu absurd. In vielen Fällen wusste man gar nicht, worum es sich handelt, es gab manchmal noch ein Exposé und einige Kapitel, manchmal nicht mal das. Meine Art von Verlegen ist das nicht. Ich möchte gerne gelesen haben, wofür ich Geld ausgebe. Vorschüsse zahlen wir auch, aber im Rahmen dessen, was man sich vom Verkauf erwarten kann. Ich glaube jedoch, dass dieser Hype vorbei ist.

Stets wird Ihr 1976 in München gegründeter Verlag, der zuletzt mit acht Mitarbeitern 2,5 Millionen Euro Umsatz erzielte, als Erfolgsmodell dargestellt. Sehen Sie sich als Vorbild?

Ich bin froh, dass wir so lange haben durchhalten können. Was daran ein Modell ist, mö chte ich nicht beurteilen. Es ist ja immer so, dass man alles gut machen kann und trotzdem kein Glück hat. Man braucht dieses spezielle Glück, das nicht machbar ist. Man hat das Gefühl, das ist ein sehr gutes Buch, und kennt ein paar Leute, die genauso denken. Das hat sich bei uns immer wieder durchgesetzt, etwa bei Fay Weldon, die in Deutschland niemand haben wollte. Diese Art von schwarzem Humor gehe hier nicht, hieß es, schon gar nicht in Verbindung mit Frauen. Dadurch haben wir ihre Geschichten sehr günstig gekriegt, und es ist ein Erfolg geworden. Erfolgsmodell heißt vielleicht einfach nur: Man verlässt sich auf den eigenen Geschmack, auf den Instinkt, auf eine eigene intellektuelle Einschätzung von Büchern.

Können Sie als unabhängiger, von der Inhaberin geführter Verlag Autoren eher eine Heimat bieten?

Die Unabhängigkeit ist zum einen eine Frage der Persönlichkeit und - vor allem - der Größenordnung. Also: Hat der Autor in der Verlegerin oder dem Verleger einen Ansprechpartner, bietet der Verlag ein gutes Lektorat oder ist das bereits „outgesourct“ et cetera. Verlegerpersönlichkeiten gibt es auch in den Konzernverlagen, etwa Elisabeth Ruge und Arnulf Conradi, die den Berlin Verlag bei Bertelsmann untergestellt haben. Oder Alexander Fest bei Rowohlt. Wenn natürlich Leute an der Spitze sind, die nicht vom Buch herkommen und nicht in der Literatur denken, ist es etwas anderes. Der Trend ist, dass das Management die Verleger ersetzt.

Ist der Preis, den Sie für die Unabhängigkeit zahlen, nicht sehr hoch? Stichwort: Selbstausbeutung.

Mein Verlag hat nicht mehr eine Größenordnung, bei der man mit Selbstausbeutung argumentieren könnte. Nein, die Zeiten sin d vorbei. Der Verlag muss sich in der Konkurrenz behaupten und seine Angestellten müssen die in der Branche üblichen Gehälter verdienen. Das ist sowieso nicht die Welt. Dafür haben sie aber - das behaupte ich einfach mal - auch einen interessanten Beruf.

Wie müsste das Angebot aussehen, das Sie überzeugen würde, sich doch einer größeren Verlagsgruppe anzuschließen?

Erstens habe ich kein Angebot und zweitens keine Notwendigkeit, mir einen Kopf zu machen, wie das aussehen könnte. In der momentanen Situation will niemand etwas kaufen, im Gegenteil, man versucht eher, Verlage zu verkaufen und wird sie so leicht nicht los. Aber solche Fragen sollte man nie zur Prinzipienfrage machen. Wer weiß, wie sich die Verhältnisse entwickeln.

Das Gespräch führte Kathrin Hillgruber

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