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Freiheitskämpfer. Joshua Wong in Hongkong. Kurz nach seiner Haftentlassung, 2019.

© Kin Cheung/dpa

Rebell veröffentlicht Manifest: Was Hongkong-Aktivist Joshua Wong antreibt

Joshua Wong ist das Gesicht der Regenschirm-Bewegung. In seinem Memoir „Unfree Speech“ zitiert er Ghandi und Spider Man als Inspiration.

Als Gesicht der Regenschirm-Bewegung in Hongkong ist Joshua Wong 2014, damals 17 Jahre alt, weltweit bekannt geworden. Auch bei den Protesten im vergangenen Sommer spielte er eine zentrale Rolle. Von seinem politischen Engagement handelt sein Buch „Unfree Speech“, eine Mischung aus Memoir und Manifest.

Die frühere britische Kronkolonie Hongkong ist seit 1997 Sonderverwaltungszone der Volksrepublik China. Wong beschreibt diesen Status wie die Beziehung eines Pflegekinds zu seinen leiblichen Eltern.

Es fühlt sich „verloren, verlassen und einsam“ und entwickelt, je mehr es zu Dankbarkeit gegenüber der „verschollenen Mutter“ gezwungen wird, immer größeren Widerstand.

Joshua Wong politisierte sich bereits vor den Protesten der Regenschirm-Bewegung. Mit einigen Mitschülern gründete er 2011 Scholarism, eine Initiative gegen die Einführung von „Nationaler Erziehung“ als Schulfach und konnte so die Änderung des Lehrplans verhindern.

Dieser Erfolg gab ihm Rückenwind, er widmete sich zunehmend der Forderung nach freien und allgemeinen Wahlen. Herkömmlicher Protest, da waren sich Wong und seine Mitstreiter einig, würde nicht ausreichen – man brauchte „eine Eskalationstaktik“.

Es kam in der Folge zu Aktionen zivilen Ungehorsams und Wongs erster Verhaftung. Weitere Proteste folgten. Auf deren Höhepunkt wurde der Aktivist 2014 erneut verhaftet und zu sechs Monaten Haft verurteilt.

Wong gehört zu einer jungen Generation von Aktivisten, die weltweit an Relevanz gewinnt und über soziale Medien gut vernetzt ist. Bereits die Aktionen 2014 setzten auf die Nutzung von Messengern und anderen digitalen Mitteln.

Immer wieder finden sich bei Wong Vergleiche mit Film- und Buchhelden. Er entdeckt Parallelen von Regierungschefin Carrie Lam und ihren Polizeikräften zu „Darth Vader“ und dessen „Sturmtruppen“. Er zitiert Harry-Potter-Autorin J.K. Rowling, vergleicht sich selbst mit Spider Man und Peter Parker, als wolle er sich selbst zum Helden stilisieren, der mit der Haft den „unvermeidlichen Zwischenschritt auf dem Weg zur Demokratie“ als heroisches Opfer in Kauf nimmt, um das große Ziel zu erreichen.

Mehrfach sieht er sich als Erbe des zivilen Ungehorsams der jüngeren Geschichte. So zitiert er in einem Brief aus dem Gefängnis Gandhi, dessen Worte „jetzt eine viel persönlichere Bedeutung“ für ihn haben. An anderer Stelle erwähnt er die „Giganten“ Martin Luther King jr. und den Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo, denen er sich durch seine Inhaftierung näher denn je fühlt.

2014 wurde er „Person des Jahres“ der Times

Wong ist sich seiner Rolle als Führungsfigur durchaus bewusst. Er spricht von „meinen Anhängern“, von einem Bündnis, das er in die Proteste „führte“. Er befindet sich dabei immer wieder im Zwiespalt zwischen seiner Rolle und der „Herausforderung einer weitestgehend führerlosen Bewegung“.

Er löst ihn auf, indem er sich selbst lediglich als Gesicht der Bewegung charakterisiert.

[Joshua Wong: Unfree Speech. Nur wenn alle ihre Stimme erheben, retten wir die Demokratie. S. Fischer, 14, 99 €.]

2014 wurde Wong von der Tageszeitung „The Times“ zur jungen Person des Jahres gewählt. Ein Treffen mit Außenminister Heiko Maas 2019 sorgte für einen diplomatischen Eklat mit China. Die Staatsmedien der Volksrepublik werfen ihm Gewaltbereitschaft und Extremismus vor.

Wongs Selbstdarstellung wirkt allerdings etwas anders. Wong zeigt sich überzeugt, dass Hongkong „einen globalen Influencer“ brauche, und er erklärt sich bereit, diese Rolle zu übernehmen.

Insgesamt wirkt „Unfree Speech“ oft wie der Versuch, die Rolle des globalen Influencers ohne demokratischen Auftrag auszufüllen. Gerade das Schlusskapitel mit dem Titel „Die Bedrohung der globalen Demokratie“ erweckt den Eindruck, Wong wolle den Aktivisten in Hongkong neuen Mut zusprechen und um globale Unterstützung werben.

An einigen Stellen haben seine Parolen einen fast verzweifelten Unterton. In seiner Lage und der Situation Hongkongs ist das verständlich. Gerade gemessen an den Verweisen auf Martin Luther King, Liu Xiaobo und Gandhi fehlt dem Pathos aber Tiefe.

Yannik Achternbosch

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