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Was machen wir heute?: Abschreiben üben

Gestern Morgen haben wir uns über Plagiate unterhalten. Wir hören auf dem Weg in die Schule immer die Nachrichten im Autoradio.

Gestern Morgen haben wir uns über Plagiate unterhalten. Wir hören auf dem Weg in die Schule immer die Nachrichten im Autoradio. Nun nimmt Leo es mit der Wahrheit auch nicht immer 100-prozentig genau. Man könnte auch sagen, er hat Fantasie. Das muss bei einem Achtjährigen so sein. Trotzdem fehlt ihm Verständnis für die Nöte von Karl-Theodor zu Guttenberg: „Der kann doch nicht Minister bleiben.“

Heute also werden wir uns darüber unterhalten müssen, warum der das doch kann. Guttenberg sagt ja, er habe nicht „bewusst getäuscht“, und das ist ein wichtiger Hinweis. Leo steht vor einem schwierigen Test über Körperteile und Knochen, die er auf Englisch wissen muss. Ich kann gut Englisch, aber „ulna“ habe ich noch nie gehört. Soll ich ihm raten, die Wörter abzuschreiben, die ihm fehlen? Wenn er erwischt wird, kann er zugeben, ihm seien „fraglos Fehler“ unterlaufen, aber er habe nicht „bewusst getäuscht“. Dieser Vorwurf sei abstrus, kann er sagen.

Wir haben gestern auch vereinbart, dass Leo sich stärker mit dem Computer beschäftigen darf. Die Tastenkombinationen „Strg C“ und „Strg V“ kennt er nämlich noch nicht. Wenn er das gut lernt, dann kann er vielleicht ein paar Klassen überspringen, seinen Doktor in Bayreuth machen und früher Minister werden als Guttenberg. Leos Opa, ein Unternehmer, beklagt sich immer, dass niemand von seinen Kindern und Enkeln im öffentlichen Dienst ist. Aber die Altersvorsorge für Minister ist ja noch besser, und eine Legislaturperiode wird Leo schon überstehen, bevor rauskommt, dass er damals nicht wusste, was „Elle“ auf Englisch heißt.

Und wenn wir das alles besprochen haben, darf er am Montag fernsehen: Die ARD zeigt um 20.15 Uhr die Verleihung des „Ordens wider den Tierischen Ernst“ an den (allerdings abwesenden) Minister Guttenberg. Heute Abend machen wir es anders, heute kuscheln wir auf dem Sofa und lesen. Das ist besser als Fernsehen und Computer. Moritz Döbler

„Die Abenteuer des Barons von Münchhausen. 3. Lesestufe“, erschienen bei Ravensburger, 64 Seiten, 6,95 Euro

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