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Was machen wir heute?: Beuys verstehen

Wie ein Rentnerdie Stadt erleben kann

Lange ist´s her, dreißig Jahre, in Kassel war´s. Beuys redete: von direkter Demokratie, davon, dass jeder Künstler sein könne, eigentlich sogar müsse. Druckreif redete er, frei, engagiert. Eine Frau fragte den Rentner, wie er das finde. Irritiert sprach er von Faszination, Charisma, von Verrücktheit. Eva-Maria Beuys, sagte die Frau lächelnd, sei ihr Name. Auch der Künstlerfreund ist mit Beuys zusammengetroffen: 1973 auf einer 1.-Mai-Demo. Hinterher hat Beuys die Überbleibsel zusammengefegt: Bierflaschen, Manifeste, Papier, Schmutz, Pflastersteine. Hat alles zusammengefegt und es in einen großen Glaskasten gesperrt, da schmoren die Überreste bis heute. Der Rentner steht jetzt im Hamburger Bahnhof verständnislos vor den riesigen, ranzig riechenden Unschlittblöcken mit den darauf geklebten kleinen Bananensteckern. Erst wenn Beuys Dinge in einen Schaukasten steckt oder einen Rahmen darum macht, kann der Rentner etwas erleben. Z.B. seine humorvollen Schöpfungen: Das mit einem Pflaster verbundene Messer: „Wenn Du Dich schneidest, verbinde nicht den Finger, sondern das Messer.“ Oder: Eine winzige Puppe, ein Torso nur, die Extremitäten umwickelt mit einem Verband, zwischen den Beinen guckt der Spalt raus, witzig und ganz unerotisch, die „Jungfrau“. Dann stehen die beiden vor einer Schiene, einer Weiche, daneben eine Art rostiges Kanonenrohr, aus dem sich ein Kopf zwängt. Die Schienen erinnern ihn an 1945, an die Flucht aus Pommern, er steht auf den Schienen vor der zischenden Dampflokomotive, die Männer sammeln Kohlen zum Heizen des Viehwagens, ein Menschentransport. Den Kopf aus dem Kanonenrohr assoziiert er mit Kriegserlebnissen. Rostig seien sie, aber eisern fest. Das, sage der Künstlerfreund doch immer, würden sie nicht mehr los. Der Künstlerfreund hört sich das an, sagt dann sagt: „Straßenbahnhaltestelle“ hat Beuys seine Installation genannt. Plümper

Beuys. Die Revolution sind wir. Hamburger Bahnhof, bis 25. Januar

PlümperD

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