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Was machen wir heute?: Die Kunst der Macht besichtigen

Gleich hinter Hitler wird der Bundeskanzler Schröder präsentiert. Monumental die Pose in Hannover: Zigarre in der Hand, wunderbar stahlblaue Augen vor dem Rot und Schwarz des riesigen, ungegenständlichen Bildes hinter seinem Rücken.

Gleich hinter Hitler wird der Bundeskanzler Schröder präsentiert. Monumental die Pose in Hannover: Zigarre in der Hand, wunderbar stahlblaue Augen vor dem Rot und Schwarz des riesigen, ungegenständlichen Bildes hinter seinem Rücken. Ein Foto bei einer Neujahrsansprache im Kanzleramt treibt es auf die Spitze: Der Fotograf hat ihm die verschwommene Kuppel des Reichstags als Heiligenschein verpasst – alle Macht geht ja bekanntlich vom Volke aus. Erstaunlich, wie Immendorf das Wesen Schröders im Porträt eingefangen hat: Er ist Monument seiner selbst. Bewegung braucht er nicht.

Ganz anders Westerwelle. Wegen der fehlenden Aura braucht er künstliche Bewegung: Auf Wunsch des Fotografen hängt er ein Bild erst ab und dann wieder auf. Sogar mit dem umstrittenen Meese lässt sich Westerwelle fotografieren, immer bewegt, immer Avantgarde.

Anders in Bonn als in Berlin: Adenauer, Erhard oder Brandt im Palais Schaumburg, großbürgerliche Atmosphäre mit Stilmöbeln. Alle drei stellen sie sich als arbeitende Menschen dar, den Federhalter gerade zu einer wichtigen Notiz oder zur Unterschrift in der Hand. Kohl sitzt im Bonner Kanzleramt am Schreibtisch wie in einer Privatwohnung. Das Aquarium, nach Grass Signum von Oberstudienräten, hat man allerdings schwarz retuschiert und fast unsichtbar gemacht.

Typisch ist die Individualitätslosigkeit im heutigen Kanzleramt und ähnlich auch bei den Bossen der Wirtschaft: Aufgeräumte, mächtige, gesichtslose Schreibtische ohne private Gegenstände, hinter dem Rücken meist ungegenständliche, neueste Kunst, also gerade nicht volkstümlich. Man feiert sich als Elite. Gespannt sind Künstlerfreund und Rentner, womit sich die jetzige Kanzlerin wohl zeigen wird. Auch sie Avantgarde? Als ehemals Ostdeutsche vielleicht mit einem Sitte, Mattheuer oder gar Penck? Nein! Mit der Ikone der alten BRD: Adenauer von Kokoschka! Plümper

Macht zeigen – Kunst als Herrschaftsstrategie, bis zum 13. Juni im Deutschen Historisches Museum, Unter den Linden 2 in Mitte

Plümper

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