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Kultur: Was machen wir heute?: Heiraten

Vor ziemlich genau einem halben Jahr erwischte mich die Mutter meiner Tochter am falschen Fuß. Wir saßen auf dem Sofa, im Fernsehen lief diese doofe Sat 1-Show, bei der weißgewandete Frauen und schwarzgehüllte Herren ziemlich endgültige Dinge taten, und offensichtlich berührte das die Mutter meiner Tochter.

Vor ziemlich genau einem halben Jahr erwischte mich die Mutter meiner Tochter am falschen Fuß. Wir saßen auf dem Sofa, im Fernsehen lief diese doofe Sat 1-Show, bei der weißgewandete Frauen und schwarzgehüllte Herren ziemlich endgültige Dinge taten, und offensichtlich berührte das die Mutter meiner Tochter. Sie drängte mich dazu, ihr ebenfalls eine bedeutende Frage zu stellen, Antwort bekannt. In vier Wochen ist es so weit. Ich heirate, das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist eine Frage: Was zieht man dazu an? Während Frauen Monate zubringen können, mit ihren Freundinnen über nichts anderes als ihr Hochzeitskleid nachzudenken, tut Mann sich da schwerer. Schon einmal einen Typen kennen gelernt, der seine Freunde mit der Frage quält, welchen Anzug er tragen soll? Eben. Geht nicht, geht gar nicht.

Meine Vorstellung vom richtigen Hochzeitsanzug war nicht wirklich differenziert: Er sollte schick sein, aber nicht zu schick, klassisch, aber nicht zu klassisch, und natürlich sollte man ihn nach der Hochzeit auch noch tragen können, man ist ja schließlich keine Frau. Wochenlang streifte ich durch die Stadt, aber ich fand nichts. Ich war bei Gucci (toll, aber zu teuer), Prada, (toll, aber oha!) Jil Sander (toll, aber geht gar nicht, preislich zumindest). Ich war am Verzweifeln. Entweder die Teile waren so teuer, dass sich die Mutter meiner Tochter dafür gleich zwei Brautkleider kaufen könnte, oder sie sahen nach gar nichts aus.

Wohl oder übel vertraute ich mich meinem Freund A. an. Obwohl er selbst definitiv nie in die Verlegenheit kommen wird, sich um einen Hochzeitsanzug zu kümmern, hatte er die Lösung, und die hieß "Tools and Gallery" in der Rosenthaler Straße. Von außen sieht der Laden ja jetzt nicht unbedingt so aus, als würde man drinnen den endgültigen Anzug bekommen. Aber: Es ist so. Vor allem dank des Geschäftsführers. "Sie heiraten?" "Ja." "Standesamtlich oder kirchlich?" "Beides." "Evangelisch oder katholisch?" "Katholisch." "Also das ganze Spießerprogramm. Herrlich!" Die Direktheit verdutzte mich, aber die katholischen Spießeranzüge waren allesamt ziemlich gut. Ich schwankte lange zwischen drei Modellen, und auch Freund A., der sich ansonsten in Sachen Mode kaum was erzählen lässt, war reichlich unsicher. Möglicherweise auch wegen des Geschäftsführers, der alle Einwände A.s nicht mal ignorierte. Schließlich kauften wir - natürlich das Modell, zu dem uns der Geschäftsführer riet, weil das Modell, das uns ursprünglich gefiel, fand der Geschäftsführer, "Sie verzeihen, ziemlich scheiße. Ich bestelle das zwar, weil es immer wieder Kunden kaufen, aber ich muss mich dabei immer übergeben." Irgendwie wollte ich da das Modell, das mir ursprünglich gefiel, nicht mehr.

Nun hängt der Anzug also zu Hause im Schrank, ein gutes Gefühl. Ich bin für den ziemlich definitiven Tag gut gerüstet. Die Mutter meiner Tochter übrigens noch nicht. Aber sie war auch noch nicht bei "Tools and Gallery", sondern nur in ordinären Brautläden, wo die Verkäuferinnen alles "süß" und gar nichts "scheiße" finden.Markus Huber

Tools & Gallery[Rosenthaler Str], Berlin-Mitte[Rosenthaler Str]

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