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Was machen wir heute?: Künstler werden

Die einzig akzeptable Lebensform in der DDR war natürlich die des Künstlers. Leider musste man auch damals schon irgendeine Begabung dafür vorweisen können.

Die einzig akzeptable Lebensform in der DDR war natürlich die des Künstlers. Leider musste man auch damals schon irgendeine Begabung dafür vorweisen können. Voller Neid betrachtete ich diejenigen, denen es gelungen war, an einer Kunsthochschule angenommen zu werden, diese Lieblinge der Götter. Wenn man erst mal ein in aller Welt berühmter Künstler war, konnte einem zu Hause keiner mehr was, so stellte ich mir das vor. Was für ein herrlicher Ort musste eine Kunsthochschule sein, wo so eine bienenstockartige Atmosphäre herrschte: Aus den Räumen der Bildhauer hört man geduldige Meißelschläge, die Maler kommen mit farbverkrusteten Händen in die Mensa und schlingen ihr Essen hinter, weil es sie zurück zu ihren Ölbildern zieht, und die Bühnenbildner dürfen den lieben langen Tag kleine Bühnenbilder basteln.

Wie ungerecht, dass man davon mangels Talent von vornherein ausgeschlossen war! Der große rumänische Bildhauer Constantin Brancusi hatte schon als Kind aus einer Obstkiste eine Geige gebastelt. Und ich? Selbst meine Plasteflugzeugmodelle mit der mitgelieferten Silberfarbe anzumalen, war ich zu faul. Dafür haben wir in den Wendewirren viel über das Wesen der Kunst diskutiert. War der blaue Himmel nicht schon ein Kunstwerk? Es war klar, dass man Kunst nicht lernen konnte, die größten Künstler sind nie an eine Kunsthochschule gegangen, bzw. sie haben sich ablehnen lassen, Ehrensache! Im Grunde konnte man an solch einer Einrichtung nur verbildet werden. Ein paar Jahre als Bergmann oder als Matrose, das war die wahre Schule.

Einmal im Jahr kann man sich beim Tag der offenen Tür durch die Kunsthochschule Weißensee bewegen, wo Studiengänge wie Bühnenbild, Malerei, Produkt-Design, Mode-Design ihre Arbeiten ausstellen. Wie schön, dass es immer noch junge Menschen gibt, die an diese Lebensform glauben, wie schade, dass man es selbst nicht mehr tut!

Tage der offenen Tür am 17. und 18. Juli, 12–20 Uhr an der Kunsthochschule Berlin Weißensee, Bühringstraße 20, www.kh-berlin.de

Jochen Schmidt

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