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Kultur: Weit ist der Weg zum ewigen Frieden

Reitet der Kurfürst bald unterm Glasdach? Beobachtungen auf der Baustelle des Berliner Zeughauses, das derzeit saniert wird

Von Helmut Caspar

Seit Sommer 1999 ist das Zeughaus Unter den Linden eine große Baustelle – auch wenn der Flaneur wenig davon sieht. Den Lustwandlern in Berlin Mitte fällt eher das benachbarte neue „Schauhaus" auf, das für 49,6 Millionen Euro nach Plänen von I. M. Pei entsteht. Doch auch die Generalsanierung des vorgelagerten barocken Prunkgebäudes ist ein Großprojekt: 20,5 Millionen Euro stehen zur Verfügung. Von außen ist das kaum zu erkennen – nur Gerüste und Kräne sowie verrammelte Fenster und Türen lassen ahnen, was eigentlich geschieht. Im kommenden Januar soll die Übergabe des Hauses vom Bundesamt für Bau- und Raumordnung an das Deutsche Historische Museum (DHM) erfolgen, bis Herbst 2004 entsteht dann hier die neue ständige Ausstellung über die Geschichte der Deutschen von der Römerzeit bis heute.

Der Umbau ist ein ehrgeiziges Unternehmen. In regelmäßigen Abständen werden tonnenschwere Figuren, die den barocken Prunkbau als brandenburg-preußisches Waffenarsenal kennzeichnen, auf die Attika gehievt. Da die 300 Jahre alten Sandsteinfiguren stark verwittert waren, wurden sie durch Kopien ersetzt. Diese Arbeit zur Wiedergewinnung der barocken Prunkfassade wird im Herbst abgeschlossen sein.

Um seine Arbeitsfähigkeit zu behalten und zusätzliche Ausstellungsflächen zu gewinnen, hat das DHM die Direktion, Arbeitsräume, Bibliothek und Lesesaal in das benachbarte Gebäude der ehemaligen Preußischen Central-Genossenschaftskasse ausgelagert. Sämtliche Exponate verschwanden vor Baubeginn im Zentraldepot in Spandau. Im Kronprinzenpalais auf der anderen Seite der Linden zeigt das Museum bis 2004 wechselnde Ausstellungen, während die großen Sonderschauen so lange im Martin-Gropius-Bau stattfinden.

Die Generalsanierung des Zeughauses, das den Zweiten Weltkrieg als Ruine überstand und in der DDR als Museum für Deutsche Geschichte diente, war längst fällig. Sämtliche elektrischen Leitungen, die Heizung sowie Sanitäranlagen mussten erneuert werden. Eingebaut wurde die bisher fehlende Sicherheits- und Klimatechnik. Ein neuer Fahrstuhl wird Behinderten den Zugang in die obere Etage ermöglichen. Da der Denkmalschutz strenge Auflagen erteilt hat, bleibt entgegen radikalen Veränderungsplänen aus den frühen 90er Jahren die charakteristische Fassung der Nachkriegszeit erhalten, erklärt DHM-Baureferentin Ulrike Kretzschmar. Respektiert werde vor allem die Ausstattung des riesigen, als Kassen- und Ausstellungshalle genutzten Vestibüls mit zwei ins Obergeschoss führenden Treppen und den mächtigen Pfeilern. Auch die obere Ausstellungshalle behalte den Charme der fünfziger Jahre, ebenso wie ein mit edlen Hölzern verkleideter Raum im Erdgeschoss, in dem sich bis 1990 Soldaten vom DDR-Wachregiment aufhielten, wenn sie nicht gerade an der gegenüber befindlichen Neuen Wache stramm standen.

Modernisiert wird das Zeughaus-Kino an der Spreeseite, in dem künftig auch Multimediaschauen zu historischen Themen gezeigt werden sollen. Erneuert wird das Restaurant mit Spreeblick. Hinzu kommt an der Ecke Spreeseite/Linden ein Museumsshop.

Zu den wichtigsten Neuerungen gehört das Glasdach über dem quadratischen Innenhof. Es schützt die von dem barocken Bildhauer und Schlossbaumeister Andreas Schlüter über den Fenstern als Schlusssteine geschaffenen 22 Masken sterbender Krieger und schafft einen eindrucksvollen Innenraum mit rötlich-grauem Granit als Fußbodenbelag. Dieser Saal kann nahezu das ganze Jahr für Ausstellungen, Konzerte und Vorträge oder ganz einfach zum Ausruhen vom Rundgang genutzt werden.

Ob die sechs verloren gegangenen Reliefs an den halbrunden Treppenhäusern im Hofbereich rekonstruiert werden, sei weniger eine Frage des Willens – denn es gibt detaillierte Fotos –, sondern der Finanzen, wie die Baureferentin betont. Die barocken Bildwerke, die an die einstige Nutzung des Zeughauses als Verwahrstätte von Waffen und Trophäen erinnern, seien nicht unbedingt nötig. Reizvoll hingegen ist der Gedanke, in der Hofmitte das von Schlüter um 1700 geschaffene überlebensgroße Bronzestandbild des Bauherren, Kurfürst Friedrich III. (ab 1701 König Friedrich I. „in" Preußen) aufzustellen – so, wie es in der Barockzeit hier stand. Eine Kopie des nach 1945 verloren gegangenen Originals steht im Charlottenburger Schlosspark. Während für das Denkmal noch Sponsoren benötigt werden, steht schon fest, dass in den Hofecken 300 Jahre alte Bronzekanonen aufgestellt werden.

Die Glaskuppel hat eine sanfte Wölbung, wie sie der Denkmalschutz gefordert hat. Durch die zurückhaltende Proportionierung wird die Außenansicht des Zeughauses nicht gestört. Nur wenn man den Dom am Lustgarten besteigt, sieht man das neue Dach komplett. Dass der Hof erst in der Kaiserzeit eine monumentale Glaskuppel bekommen hat, als das Arsenal zur Ruhmeshalle mit vielen Monarchen- und Feldherrenbildern sowie Fahnen und Kanonen umfunktioniert wurde, wird man laut Kretzschmar künftig in einer kleinen Ausstellung sehen, die über die Baugeschichte, Zerstörung und Wiederaufbau berichtet.

Vom Zeughaus führt ein unterirdischer Gang in I. M. Peis „Schauhaus", das Ende Mai 2003 mit der Ausstellung „Idee Europa - Wege zum ewigen Frieden" eröffnet wird. Zwei Rolltreppen sind schon eingerichtet, fahren aber noch nicht, und auch der Fußbodenbelag aus Granit muss noch gelegt werden. Der unterirdische Zugang hat den Vorteil, dass die Straße hinter dem Zeughaus für Flaneure, die das Museum nicht besuchen wollen, offen bleibt.

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