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Kultur: Welche Architektur braucht der zentrale Ort der Täter?

Nach der Entscheidung, sich von Peter Zumthors Entwurf für die Topographie des Terrors zu trennen, überwiegt Erleichterung

Andreas Nachama, Geschäftsführer der Topographie des Terrors:

Dass der neue Bau kein „Zumthor II“ werden darf, ist auf der Pressekonferenz am Dienstag schon gesagt worden. Die Stiftung Topographie des Terrors hatte sich von Anfang an und schon in der ersten Ausschreibung eher einen „undekorierten Schuppen“ gewünscht, ein Gebäude, das das Gelände für sich sprechen lässt und die nötigen Funktionen – Bibliothek, Ausstellungsräume und ein kleines Institut – unterbringt. Wir wollen keine symbolhafte Architektur, die mit Libeskind und Eisenman konkurriert, sondern im Mittelpunkt soll das Gelände stehen. Das müssen wir in der neuen Ausschreibung wohl noch deutlicher machen. Die Entscheidung, sich nach so vielen Jahren von Peter Zumthor zu trennen, sehe ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Aber das lachende ist etwas größer.

Norbert Lammert (CDU), Vizepräsident des Bundestags:

Die Entscheidung, sich von dem Zumthor-Bau zu trennen, ist seit Jahren überfällig. Die Ehrfurcht vor dem Entwurf hat die ganze Debatte über Jahre paralysiert. Ich fürchte allerdings, auch die neuerliche Vereinbarung, die Kulturstaatsministerin Christina Weiss mit ihren Berliner Kollegen getroffen hat, ist im Kern inkonsequent, weil sie mit fast schon ideologischem Eifer an der künstlichen Trennung der Zuständigkeiten festhält. Unsere Forderung war seit Jahren, die Topographie dem Jüdischen Museum und dem Holocaust-Mahnmal gleichzustellen und sie in die alleinige Zuständigkeit des Bundes zu übernehmen. Nur so hätte sichergestellt werden können, dass die jeweiligen Konzepte auch inhaltlich abgestimmt werden. Es ist nun einmal die einzige authentische Stätte, von der aus der Vernichtungskrieg geplant wurde, der Jüdisches Museum und Holocaust-Mahnmal im Grunde erst erforderlich machte.

Alice Ströver, kulturpolitische Sprecherin Die Grünen und Vorsitzende des Kulturausschusses:

Die Entscheidung, den Zumthor-Entwurf nicht zu bauen, ist überhastet und nicht durchdacht. Was als Befreiungsschlag inszeniert wurde, kann auch das Ende für das Dokumentationszentrum Topographie des Terrors bedeuten. In jedem Fall ist eine weitere Zeitverzögerung vorprogrammiert. Denn von den 38,6 Millionen Euro, die Bund und Land für das Projekt zur Verfügung gestellt haben, sind 15 Millionen bereits verbaut. Peter Zumthor hat das Recht auf sein Honorar, egal, ob sein Entwurf verwirklicht wird oder nicht. Für Planung, Ausschreibung und Bau eines Alternativbaus reicht das verbleibende Geld nie und nimmer – egal wie einfach und unaufwendig dieser ausfällt. Ein Profan-Bau wird darüber hinaus der Bedeutung des Ortes nicht gerecht. Das Zumthor-Projekt in einem Anfall von blindem Aktionismus zu beenden, bringt uns einer konstruktiven Lösung keinen Schritt näher.

Monika Grütters, kulturpolitische Sprecherin CDU Berlin:

Dass das Elend um den Neubau auf dem ehemaligen Prinz-Albrecht-Gelände nun nach vielen Jahren erst einmal zu Ende ist, ist gut für Berlin und für diesen historisch bedeutsamen Ort. Bedauerlich ist, dass das Land Berlin kläglich versagt hat und seiner Verantwortung im Umgang mit diesem authentischen Ort der NS-Diktatur nicht gerecht geworden ist. Bedauerlich ist auch, dass erst Reinhard Rürup als wissenschaftlicher Direktor der Topographie zurücktreten musste und damit ein Signal gesetzt hat, um auf die dramatische Situation der Gedenkstätte hinzuweisen und die Verantwortlichen wachzurütteln. Nach dieser Hängepartie ist es jetzt gut, dass der Bund die Federführung übernimmt. Ob die Senatskulturverwaltung noch inhaltlich etwas zu dem Projekt beitragen kann, ist fraglich.

Wolfgang Brauer, kulturpolitischer Sprecher PDS Berlin:

Die Entscheidung, auf dem Gelände der Stiftung „Topographie des Terrors“ den Entwurf des Schweizer Architekten Peter Zumthor nicht weiter zu realisieren, ist angesichts der dramatischen Kostenentwicklung und der erheblichen bautechnologischen Probleme nachvollziehbar. Es bleibt das Bedauern, dass es sich als unmöglich erwies, für eine internationale Dokumentations- und Begegnungsstätte an diesem zentralen Ort der Täter der Mordpolitik des Dritten Reiches eine adäquate architektonische Antwort auf die bedeutsamen Architekturen von Jüdischem Museum und Mahnmal für die ermordeten Juden Europas zu realisieren. Der Zumthor-Entwurf wäre eine solche gewesen. til

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