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Kultur: Wenn das Schwere leichtfällt Zum 70. des Regisseurs

Frank-Patrick Steckel.

Trotz seines starken Baritons und seiner enormen Eloquenz gilt er eher als einer der Stillen im grellen, schnellen Kulturbetrieb. Der 1943 in Hamburg geborene, seit langem in Berlin lebende Theater- und Opernregisseur Frank-Patrick Steckel tanzt nicht in der ersten Reihe, anders als etwa der PR-begabte Claus Peymann, sein norddeutscher Kollege aus Studententheaterzeiten. Frank-Patrick Steckel hatte 1970 mit Peter Stein, dem Dramaturgen Dieter Sturm und eben Peymann die Berliner Schaubühne künstlerisch neu begründet. Schon da wirkte der kunst- und literaturgeschichtlich gebildete Steckel eher aus dem intellektuellen, politisch-poetisch-dramaturgischen Hintergrund, arbeitete mit Stein bei dessen Eröffnungsinszenierung, Gorki/Brechts „Mutter“ zusammen, begann noch als Koregisseur, um schon 1974/75 mit seiner eigenen Inszenierung von Heiner Müllers „Lohndrücker“ die erste von mehreren Einladungen zum Berliner Theatertreffen zu erlangen.

Neben Brecht und Müller, den evident Politischen, galt Steckels frühes Schaubühneninteresse aber auch dem scheinbar elegisch fernen, vornehmen Hugo von Hofmannsthal, dessen bis heute erstaunlich selten gespieltes „Gerettetes Venedig“ er wiederentdeckte. Zum künstlerischen Coup geriet ihm nach dem Weggang von der Schaubühne 1977 seine Inszenierung von Ernst Barlachs Drama „Der arme Vetter“ in Frankfurt am Main. Ein großes, helldunkles Spiel auf dem Kamm einer Düne vor tiefem norddeutschem Himmel. Das wurde, gleichfalls zum Berliner Theatertreffen eingeladen, der Beginn der Barlach-Renaissance auf deutschen Bühnen.

Diese schwerblütige, mal spökenkiekerisch schrullige, mal tragisch abgründige Welt kam Steckels ästhetischem Temperament offenbar entgegen. Von 1978 bis 1981 war er Oberspielleiter des Bremer Theaters, wo er in der Halle des ehemaligen Schlachthofs aufregend und aufsehenerregend Hanns Henny Jahnns blutige „Krönung Richards III.“ wie einen deutschen Shakespeare in Szene setzte. Wiederum ganz Steckels Welt, weil seinem Theater das Schwere wohl leichter fällt als das schier Komödiantische. Bis heute. 2000 wurde er nochmals zum Theatertreffen nach Berlin geladen, mit dem so noch nie gespielten shakespearischen Dritten Edward, diesmal aus Köln. Da war er wieder freier Regisseur: nach immerhin zehn Jahren, bis 1995, als Schauspielintendant in Bochum. Steckels Ära dort gilt der jüngeren Theatergeschichte als gute, aber nicht ganz große Spiel-Zeit, denn just zuvor hatte sein alter Konkurrent Claus Peymann Bochum in Bestform bezaubert.

Heute feiert Frank-Patrick Steckel seinen 70. Geburtstag – nicht ohne selbstironisch anzumerken, dass es zugleich Brechts 115. ist. Auch das nennt sich Tradition. Und im skeptischen Aufklärer steckt auch ein Autor: Im kleinen Laugwitz Verlag im niedersächsischen Buchholz wurde gerade eine auf zwölf kleine Bände angelegte Edition von Steckels vorzüglichen Shakespeare-Übersetzungen gestartet. Mit „Timon aus Athen“ und dem „Macbeth“, englisch-deutsch, samt kurzem, klugem textkritischen Anhang und so populärwissenschaftlich wie einlässlich kommentiert. Peter von Becker

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