zum Hauptinhalt
Der Dirigent Daniel Barenboim leitet das West-Eastern Divan Orchestra.

© Matthias Balk/picture alliance / dpa

West-Eastern Divan Orchestra in der Waldbühne: Bach, Beethoven und die Barenboims

Das West-Eastern Divan Orchestra sucht die Versöhnung über Musik. In der Waldbühne brilliert es mit Vater und Sohn Barenboim.

Als Daniel Barenboim zum zweiten Mal an diesem Abend auf die Bühne tritt, ist das Sonnenlicht bereits verschwunden. Auf den oberen Rängen werden die Bäume in magisch blaues Licht getaucht. Die erhabene Atmosphäre der Waldbühne kommt nun richtig zur Geltung. Kurz zuvor hatten Trompetenfanfaren zum nächsten Akt gebeten. Nach Beethovens Violinkonzert in D-Dur wird nun seine siebte Sinfonie aufgeführt. 2020 jährt sich sein Geburtstag zum 250. Mal, und das Berliner Publikum wird schon einmal darauf eingestimmt. Neben Beethoven gibt es, der Alliteration zuliebe, noch ein wenig Bach. Um mich herum sehe ich viel weißes oder mindestens ergrautes Haar, dazu einige Enkel und Kinder, die sich wohl nicht wehren konnten.

Zwischen den Stücken komme ich immer wieder ins Gespräch. Man fragt mich, was ich als junger Mensch denn hier mache? Dass doch noch junge Leute von alleine in ein klassisches Konzert gingen? Ich kann die Fragenden beruhigen. Ich bin nicht der einzige meiner Art. Und dafür, dass die Jugend angeblich Smartphone-süchtig ist, sehe ich erstaunlich viele Bildschirme in der Dunkelheit aufblitzen.

Die Botschaft des West-Eastern Divan Orchestra ist deutlich: Konzentriert euch auf das Gemeinsame. Es wurde gegründet, damit Menschen für wenige Stunden ihre politischen Ansichten über Bord werfen und in der gemeinsamen Liebe zur Musik aufgehen. Das gilt für die Musiker wie die Zuhörer. Die hohen Sicherheitsbestimmungen der Waldbühne erinnern an den Nahost-Konflikt. Mit einem Maßband messen Mitarbeiter die Rucksäcke und Taschen ab, ob sie auch nicht das DIN-A 4 Format überschreiten. Tun sie es doch, kann der Rucksack für einen Preis von 3 Euro abgegeben werden. An diesem Abend ist die Sicherheitsstufe sogar erhöht – der Bundespräsident ist anwesend. Auf den Rängen sitzen BKA-Mitarbeiter und beobachten mit Ferngläsern die Umgebung.

Davon unberührt spielt das junge, jüdisch-arabische Orchester wie der Teufel. Michael Barenboim gibt ein grandioses Violinsolo im ersten Teil des Abends. Im dritten Satz verspielt er sich leicht und vergisst für einen Moment, dass die Kamera direkt auf sein Gesicht gerichtet ist. Sein verärgerter Gesichtsausdruck ließ sich in bester Bildqualität auf den beiden großen Bildschirmen beobachten. In kurzer Reihenfolge fangen zunächst der Solist, dann sein Vater am Dirigentenpult und auch das Orchester an zu grinsen. Das Publikum freut sich. Es passt gut ins Bild, dass man von Barenboim hat. Man schaut ihm nicht nur gerne beim Dirigieren zu, Humor scheint er auch zu haben. Immer wieder fährt er sein Dirigat auf ein Minimum herunter oder steigt manchmal sogar komplett aus, lässt das Orchester das Tempo selber finden. Vielleicht eine Erziehungsmaßnahme. Das Orchester meistert es so oder so mit Bravour.

Nach dem Schlussakkord, auf dem Weg die Treppen hinauf, läuft mir Frank-Walther Steinmeier entgegen. Ich frage ihn, wie er das Konzert fand. Seine Security verhindert die Bürgernähe, sie schiebt mich beiseite. Doch kurz geschmunzelt hat er. Die vielen alten, weißen Männer, die ich heute Abend getroffen habe, haben Humor bewiesen. Paul Gäbler

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false