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Kultur: Westwind

über Entdeckungen hinter der Schmetterlingstür Dafür, dass in Berlin angeblich niemand Kunst kauft, sind in letzter Zeit erstaunlich viele neue Galerien gegründet worden – vor allem im Osten der Stadt. Aus dem Blick sollte man den Westen dabei aber nicht verlieren, denn zurzeit locken rund um den Kurfürstendamm auffallend viele Händler mit großen Namen: In der Galerie Nierendorf gibt es derzeit Grafiken von einem der größten deutschen Maler überhaupt.

über Entdeckungen hinter der Schmetterlingstür Dafür, dass in Berlin angeblich niemand Kunst kauft, sind in letzter Zeit erstaunlich viele neue Galerien gegründet worden – vor allem im Osten der Stadt. Aus dem Blick sollte man den Westen dabei aber nicht verlieren, denn zurzeit locken rund um den Kurfürstendamm auffallend viele Händler mit großen Namen: In der Galerie Nierendorf gibt es derzeit Grafiken von einem der größten deutschen Maler überhaupt. Der gebürtige Ostpreuße Lovis Corinth (1858-1925) malte und zeichnete so, wie er aussah: strotzend vor Kraft, dabei virtuos wie kein anderer, voller Leidenschaft und Selbstzweifel im flackernden Blick. Und so gehören auch seine Radierungen und Lithografien zum Besten, das man in der Kunst der letzten 200 Jahre finden kann. Bei Corinth vermengen sich das 19. und das 20. Jahrhundert zu einem einzigartigen künstlerischen Œuvre. Hier sind sie ganz nah beieinander: Naturalismus, Impressionismus und Expressionismus, völlig unakademische bacchantisch-orgiastische Motive wie „Eine Vision“ (Radierung von 1923, 4000 Euro), Stadtbilder von abgründiger Düsternis („Schlossfreiheit in Berlin“, 1923, 7800 Euro) und die ergreifendsten Selbstporträts, die man sich denken kann, wie das sich selbst belauernde „Selbstbildnis“, eine Radierung von 1912, 1200 Euro (Hardenbergstraße 19, bis 1. April 2005).

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Sehenswertes gibt es auch bei Nothelfer: In der Corneliusstraße wird Emilio Vedova präsentiert, in der Uhlandstraße 184 hat Herta Müller einen schönen Auftritt (bis Anfang Januar 2005). Allerdings handelt es sich nicht um die bekannte Schriftstellerin, sondern um die zu Unrecht noch nicht so bekannte Malerin Herta Müller aus Bottrop. Das klingt jetzt erst einmal recht unglamourös, kann aber nicht darüber hinweg täuschen, dass sie wundervoll zurückhaltende, aufs Nötigste reduzierte Bilder malt, die ein wenig an Schriftzeichen oder besser: frei entwickelte Skripturen erinnern (900-8000 Euro).

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Bei Brusberg wird man von Max Ernst empfangen, beziehungsweise von seiner Schmetterlingstür die er 1923 für seinen Freund, den Dichter Paul Eluard malte (Preis auf Anfrage). Neben verschiedenen anderen erstklassigen Hauskünstlern der Galerie wie Bernhard Heisig, Rolf Szymansky und dem lustig-verrückten Gerald Zschorsch zeigt Brusberg dann im Kabinett Kohlezeichnungen und Aquarelle eines Künstlers, der in diesem Monat 100 Jahre alt geworden wäre: Werner Heldt (Kurfürstendamm 213, bis 29.1.2005). Auf’s Schönst vereint hängen hier Heldts großer „Aufruhr 1848“ von 1949, das „Häuserstilleben“ von 1950 (Preise auf Anfrage) und die „Mandoline am Fenster“ (1947, 25000 Euro) sowie ein rundes Dutzend weiterer Bilder aus einer Zeit, in der man Zeichnungen noch mit aller Berechtigung den liebenswerten Titel „Stadtgeröll“ (18000 Euro) geben konnte.

Ulrich Clewing

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