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Kultur: Wie ein Köder im Auge Alltagsdramen: die Preisträger des „World Press Photo Award“

Was ist ein gutes Pressefoto? Der internationale Berufsverband „World Press Photo“ versucht, diese Frage mit einem alljährlichen Wettbewerb zu beantworten: Er kürt die Pressefotos des Jahres und schickt sie in einer Wanderausstellung um die Welt.

Was ist ein gutes Pressefoto? Der internationale Berufsverband „World Press Photo“ versucht, diese Frage mit einem alljährlichen Wettbewerb zu beantworten: Er kürt die Pressefotos des Jahres und schickt sie in einer Wanderausstellung um die Welt. Die Preisträger des 44. Jahrgangs, ausgewählt aus 50 000 Einsendungen, sind nun im Willy-Brandt-Haus zu sehen. Ziel der Jury ist ausdrücklich, „eine Norm aufzustellen, die alle Fotografen inspirieren kann“, wie der Vorsitzende Roger Hutchings betont.

Die Fotos zeigen einen Planeten in Aufruhr: Alle großen Konflikte, die 2001 die Welt erschütterten, sind vertreten. Natürlich darf die Mutter aller Katastrophen nicht fehlen: Für seine schlichte Dokumentation des Terroranschlags vom 11. September erhielt der Amerikaner Robert Clark den ersten Preis für Fotoserien in der Kategorie „Harte Fakten". Ihm war es gelungen, den Moment einzufangen, in dem sich das entführte Flugzeug in den Südturm des World Trade Centers bohrt. Auch der erste Preis in der Kategorie „Menschen in den Schlagzeilen“ ging an Bilder über das Attentat: Die AP-Fotografin Gulnara Samoilova hatte Überlebende geknipst, die aus den Trümmern flohen.

Eines prägt die meisten Bilder: Im Zentrum steht nicht das Ereignis selbst, sondern seine Folgen für die Betroffenen. Das Pressefoto des Jahres rückt eine Einzelperson in den Mittelpunkt: Ein totes Kleinkind, das in einem pakistanischen Lager für afghanische Flüchtlinge an Austrocknung starb. Der Däne Erik Refner lichtete es ab, während es von helfenden Händen in ein Leichentuch gewickelt wurde. Diese „einfache, ikonische und symbolische“ Aufnahme, so die Jury, appelliert direkt an das Mitgefühl.

Es wäre verfehlt, ihr Melodramatik vorzuwerfen. In der heutigen Bilderflut muss ein Pressefoto sofort und unmittelbar ansprechen und ergreifen: Sonst wird es übersehen. Dabei greift ein Trend zur inszenatorischen Überhöhung um sich. Häufig wird mit Farbfiltern und extremen Blickwinkeln gearbeitet, um Kontraste so scharf wie möglich herauszustellen. Dennoch rutscht kein Foto ins Banale ab. Im Gegenteil: Häufig wird der Bildinhalt erst eindeutig, wenn man die Legende liest. Doch den Impuls, sich dieser Mühe zu unterziehen, vermittelt jedes Motiv. Damit stellt die Schau klar, was gute Pressefotos auszeichnet: Sie sind Köder, die den Betrachter locken und ihn bewegen sollen, sich mit einem Sachverhalt zu beschäftigen, der oft abstrakt und schwer verständlich ist. Oliver Heilwagen

Bis 14. Juli im Willy-Brandt-Haus, Stresemannstraße 28. Täglich außer montags, 12 bis 18 Uhr.

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