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Kultur: Wie es der BVG gefällt

Es ist wieder so weit: Tapfer kämpft die BVG gegen die Bestie Denkmalpflege darum, einen historischen U-Bahnhof nach ihrem Geschmack renovieren zu dürfen.Diesmal geht es um die 1913 eröffnete Station Märkisches Museum, einer der Bauten von Berlins bedeutendstem U-Bahn-Architekten Alfred Grenander, deren Zahl immer mehr abnimmt.

Es ist wieder so weit: Tapfer kämpft die BVG gegen die Bestie Denkmalpflege darum, einen historischen U-Bahnhof nach ihrem Geschmack renovieren zu dürfen.Diesmal geht es um die 1913 eröffnete Station Märkisches Museum, einer der Bauten von Berlins bedeutendstem U-Bahn-Architekten Alfred Grenander, deren Zahl immer mehr abnimmt.Die Denkmalpflege will partout die historische Fliesenverkleidung erhalten - oder das, was davon noch übrig ist, denn vorsorglich hat die BVG vor einigen Wochen schon einmal zur Selbsthilfe gegriffen und die Verkleidung größtenteils einfach abgeschlagen.Außerdem möchte die Denkmalpflege an dem Gußasphalt festhalten, mit dem Berliner U-Bahnsteige seit Jahrzehnten bedeckt werden, statt Granitfliesen einbauen zu lassen.Das Publikum bangt mit der BVG, die nicht beim helleren Boden stehenbleiben sollte.Wenn man die Fliesen schon wie üblich abschlägt, warum dann wieder graue anbringen und nicht kunterbunte? Und die historischen Bahnsteigaufbauten behindern die freie Sicht - weg damit! Sind hölzerne Bänke nicht irgendwie unhygienisch? Und erst Handläufe aus diesem Material! Da sollte die BVG so aufräumen, wie sie es schon auf vielen Stationen getan hat.

Denn im Umdekorieren ist sie groß, wobei man immer wieder staunt, wofür die permanent über leere Kassen stöhnende, munter Personal, Angebot und Service reduzierende Anstalt so alles Geld hat: Da konnte man alle Bahnhofs- und Hinweisschilder, alle gläsernen Transparente an den Eingängen und vieles mehr neu kaufen, bloß weil es einem in den Sinn kam, eine neue Schrifttype einzuführen (die inzwischen freilich zur Modeschrift der neunziger Jahre avanciert ist, also keinen Wiedererkennungseffekt für die BVG mehr hat).Da wechselt man sämtliche, auch gut erhaltene Bänke gegen neue Drahtstühle aus.Da tauscht man die mehreren tausend Haltestellenmasten von Bus und Straßenbahn samt - meist erst in jüngster Zeit beschafften - Schildern und Fahrplankästen aus, und zwar nicht etwa, weil dies den Kunden irgendeinen nennenswerten Gewinn brächte, sondern weil man das bauchige neue Design so schön findet.

Während die BVG heute über die Asphaltböden herumjammert, die ihr plötzlich stockfinster erscheinen und angeblich das - in den letzten Jahren immer mehr und greller gewordene - Licht schlucken, tauschte sie erst vor wenigen Jahren die strahlend gelbe Fliesenverkleidung auf dem unteren Bahnsteig des U-Bahnhofs Zoo gegen eine in mattem Schmuddelbeige aus.Damals ging es darum, die "kalte Schwimmhallenatmosphäre" der fünfziger Jahre gegen postmoderne Putzigkeit mit Tieren an den Wänden zu ersetzen - man argumentiert eben immer so, wie es einem gerade in den Kram paßt.Und redet im Zweifelsfall natürlich immer von Sicherheit, denn diesem Argument kann sich ja keiner widersetzen.

Neben der Strategie, mit der Sicherheit zu argumentieren, stellen Baudenkmalbesitzer, die partout ihre Verhübschungs- und Verwertungsphantasien durchboxen wollen, die Denkmalpflege auch gern als lächerlich kleinlich dar: Da sind es bei einem Bahnhof ja nur die Bänke, die verschwinden sollen, individuelle Handwerksarbeit in vielfältigen historischen Stilen, die jetzt einheitlich schwarzen Drahtungetümen vom Fließband weichen.Es sind ja nur die Schilder! Und wer will sich schon ernsthaft über Handläufe ereifern? Dabei läßt man sich auch von ganz praktischen Einwänden nicht beirren: Runde Handläufe aus unlackiertem gebürstetem Stahl sind im Moment eben der letzte Schrei, also will auch die BVG so etwas haben, basta! Daß sie nicht so gut in der Hand liegen wie die hölzernen, mit einer Griffmulde versehenen, die man auf den Müll wirft, daß ein silberner Handlauf auf weißen Fliesen für Sehbehinderte schwerer zu erkennen ist als ein brauner oder schwarzer - egal.Hauptsache es entspricht dem, was man gerade in irgendeinem Einkaufszentrum gesehen hat.Und es sieht irgendwie sauber aus.

Doch dummerweise bleibt es das nicht lange.Das ganze nackte Metall läßt sich leider leicht zerkratzen, jeder Dreckfleck und -spritzer fällt dort ebenso ins Auge wie auf den hellen Böden, die jetzt so in Mode sind.Erfahrungsgemäß hat die BVG nicht die Möglichkeiten, ihre Anlagen so intensiv zu putzen wie die Betreiber von Einkaufszentren, in denen zudem noch stets jemand über Sicherheit und Sauberkeit wacht.Hinzu kommt, daß das Verschwinden eines originalen Details nach dem anderen nicht nur dazu führt, daß irgendwann soviel verändert worden ist, daß man endlich die Aufhebung des lästigen Denkmalschutzes fordern kann.Es bewirkt auch einen ästhetischen Vandalismus, der sich auf die Gesamtatmosphäre niederschlägt: In einem einheitlich gestalteten, geschmackvoll und gediegen eingerichteten Raum benimmt man sich nicht so schnell wie ein Ferkel wie in einem zusammengerümpelten, in dem ein Stück nicht zum anderen paßt.Daß vielen Fahrgästen das Kuddelmuddel kaum bewußt werden dürfte, spielt dabei keine Rolle: Derlei wirkt aufs Unterbewußtsein.

Nicht von ungefähr weist die Münchner U-Bahn einen Grad an Sauberkeit auf, von dem ihre Berliner Schwester nur träumen kann: Jeder Bahnhof ist dort aus einem Guß gestaltet worden und wird auch gepflegt als solch eine ästhetische Einheit, bei der Architektur und Geschmack vor Modeklimbim rangieren.

JAN GYMPEL

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