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Kultur: Wie ist die Stadt der Zukunft, Herr Bodewig?

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, zählt zu den Senkrechtstartern der Schröder-Regierung. 1955 in Rheinberg (Kreis Wesel) geboren, begann er seinen Berufsweg in der Wohnungswirtschaft und baute parallel dazu eine solide Stellung in der SPD auf.

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, zählt zu den Senkrechtstartern der Schröder-Regierung. 1955 in Rheinberg (Kreis Wesel) geboren, begann er seinen Berufsweg in der Wohnungswirtschaft und baute parallel dazu eine solide Stellung in der SPD auf. Ihr gehört er seit 1973 an. Seit 1995 Vorsitzender des SPD-Kreises Neuß, zog er 1998 in den Bundestag ein. Im März 2000 wurde er zum Parlamentarischen Staatssekretär unter Bauminister Klimmt ernannt, dem er nur acht Monate später im Amt nachfolgte. Nachdem er zunächst den Verkehrsbereich neu geordnet hatte, fördert er jetzt die "Initiative Baukultur".

Herr Bodewig, Sie haben sich Anfang Dezember energisch für eine stärkere architektonische Kultur eingesetzt.

Auf dem Kölner Kongress "Baukultur in Deutschland", der von der gleichnamigen Initiative veranstaltet wurde, haben wir dazu soeben eine Zwischenbilanz vorlegen können. Und die starke Resonanz auf die Kölner Tagung hat gezeigt: Es ist ns gelungen, Baukultur wieder zu einem öffentlichen Thema zu machen.

Die Frage bleibt aber doch: Wie kann man eine breite Öffentlichkeit für Fragen der Architektur und Baukultur sensibilisieren, wenn in den Medien allenfalls über die Highlights berichtet wird, etwa über Frank Gehrys DG Bank am Pariser Platz in Berlin?

Mir kommt es darauf an, einen einseitigen Informationsfluss nach dem Motto "Die Politik meldet sich" zu vermeiden. Ich glaube, der richtige Weg geht über den öffentlichen Dialog, über die Einbindung vieler Gruppen und Verbände. Auf der Kölner Veranstaltung kamen Planer, Architekten, Ingenieure, Länder- und Kommunalvertreter zusammen und bewegten sich aufeinander zu. Derartige Prozesse lösen dann eine öffentliche Debatte aus.

Peter Conradi, der Präsident der Bundesarchitektenkammer, hat kürzlich einen Ort der Architektur verlangt, wo nicht nur Architektur präsentiert, sondern auch über das Erscheinungsbild der Städte gestritten wird.

Ich glaube nicht, dass wir solche zentralen Orte aufbauen sollten. Nicht die zentrale "Speakers Corner" für Baukultur brauchen wir. Mir liegt mehr daran, viele Plätze zu haben. Auch die Fortführung der "Initiative Architektur und Baukultur" ist eine zentrale Aufgabe. Ich habe deswegen erklärt, dass ich die Einrichtung einer Stiftung unterstützen werde, wenn sie von allen getragen wird.

Der in Köln präsentierte "Statusbericht Baukultur in Deutschland" appelliert nicht nur an die Verantwortlichkeit der Investoren, sich verstärkt an Qualitätskriterien zu halten. Er verlangt auch die "Sicherung und Stärkung des öffentlichen Raumes". Ist dies nicht ein frommer Wunsch angesichts der zunehmenden Privatisierung des öffentlichen Raums, wie dies etwa am Potsdamer Platz zu beobachten ist?

Wir müssen uns damit abfinden, dass es einerseits öffentliche Räume und andererseits geschäftlich genutzte private Räume gibt. Dies ist für mich kein Gegensatz. Wichtiger ist, dass die Investoren bei ihren Projekten auf Gestaltqualität achten. Deswegen ist mein Vorbild nicht die standardisierte Shopping Mall, sondern die vitale Innenstadt.

Apropos Shopping-Mall: Es ist doch eher so, dass die Großinvestoren aus einem vorhandenen Pool bestimmte Architekten wählen, die nach einem standardisierten Bild in den Innenstädten zum Verwechseln ähnliche Malls hochziehen. Währenddessen setzt sich in den Gewerbezentren der städtischen Randbezirke eine verarmte Architektur fort, mit Fabrikhallen aus Billigmodulen.

Natürlich wird eine Architekturdebatte die betriebswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Rechnungen nicht außer Kraft setzen. Nur dort, wo eine Gewinnerwartung besteht, wird investiert. Sicherlich kommt in der Öffentlichkeit eine aufregendere Architektur besser an als eine standardisierte. Aber auch bei Gebrauchsflächen sollten wir dieses Problem thematisieren. Gewerbegebiete werden attraktiver, wenn die Kommune auf die Einhaltung bestimmter Prinzipien achtet. Ein wichtiger Bereich ist zudem die große Zahl von Ingenieurbauwerken wie etwa die Autobahnbrücken, bei denen man sich oft genug fragt, wo ihr ästhetischer Wert bleibt.

In Holland gibt es gerade im Wohnungssektor immer wieder herausragende Architektur. Während Großinvestoren hierzulande lieber in Kommerzarchitektur ihr Geld stecken, investieren die Holländer, aufgrund größerer öffentlicher Zuschüsse, bevorzugt in den Wohnungsbau.

Bedenken Sie, dass in Deutschland ein hoher Anteil der Bautätigkeit im Bereich des selbstgenutzten Wohneigentums besteht. In diesem Rahmen haben wir gerade die Initiative "Kostengünstig und qualitätsbewusst bauen" gestartet. Damit wollen wir von den reinen Erstellungskosten der Gebäude wegkommen und den Blick auf die Gesamtheit der Kosten lenken, die sich auf die gesamte Lebensdauer des Gebäudes beziehen. Es kommt also darauf an, nicht nur an die Endkosten zu denken, sondern auch an die Gebrauchs- und Nutzungskosten. Dies wird hoffentlich unser Denken grundlegend verändern. Außerdem bin ich überzeugt, dass markante Gebäude, die in eine vorgegebene Struktur integriert sind, auch ihre betriebswirtschaftliche Attraktivität haben. Diese Ziele gilt es intelligent zu verknüpfen.

Die wenigsten Investoren wollen sich einen Stararchitekten wie Renzo Piano oder Rem Koolhaas leisten, um eine Warenhausfiliale mit unverwechselbarer Gestalt zu kreieren. Nachdem in der Industriearchitektur die Kathedralen der Arbeit ausgedient haben, sollen die Menschen heute in die Kathedralen des Handels pilgern. Mit Baukultur hat dies in den meisten Fällen wenig zu tun.

In letzter Zeit haben wir uns vermehrt darüber Gedanken gemacht, wie öffentliche Plätze, aber auch die umliegenden Gebäude aussehen sollten. Wir hoffen zumindest darauf, dass wir durch offene Wettbewerbe für Bundesbauten auch jüngere Architekten motivieren, wieder etwas zu wagen. Vielleicht kommen wir dann dazu, dass die jungen Büros auch die renommierten Architekten befruchten.

Bei größeren Wettbewerben und Bauaufträgen in Deutschland haben oft ausländische Büros die Nase vorn - ganz im Gegensatz wieder zu Holland. Wie könnten Sie die Position der deutschen Architekten stärken?

Der Ruf der Architektenausbildung an deutschen Hochschulen ist im Ausland besser als im Inland. Mit der Öffnung des europäischen Binnenmarktes wird sich die große Chance der deutschen Architekten zeigen. Denn ihre Stärke ist die ganzheitliche Betrachtung von Planungs- und Bauprozess.

Ein Problem der fehlenden urbanen Baukultur besteht ja offenbar darin, dass viele Firmen aus Rentabilitätsgründen auf die grüne Wiese wechseln. Gibt es überhaupt noch politische Steuerungsinstrumente, um diesen Wildwuchs zu verhindern?

Politik kann nicht alles, und nicht auf allen Ebenen. Eine Gestaltungssatzung, die gleichermaßen für alle Städte gelte, wäre natürlich nicht wünschenswert. Bei dem derzeitigen Programm "Stadtumbau Ost", das zu einer Revitalisierung der Innenstädte führen soll, hoffen wir, dass zuvor eine öffentliche Debatte über die Ziele der Umbaumaßnahmen geführt wird. Dies ist wichtig, weil der Prozess selbst schon Teil der Lösung ist. Die Instrumente sind also vorhanden, es ist nur die Frage, ob sie auch angewendet werden.

Die "global city" wird von alternativen Zirkeln bekämpft, dagegen von neoliberalen Kräften begrüßt. Was ist für den Bundesbauminister der Weg, der zwischen Globalisierungsopfern und Globalisierungsgewinnern zum Ziel führt?

Ich glaube, dass das europäische Stadtmodell unserem kulturellen Hintergrund entspricht. Davon sollten wir in unseren Gestaltungsüberlegungen ausgehen. Die europäischen Städte unterscheiden sich nun einmal von der amerikanischen downtown, die ab 20 Uhr menschenleer ist. Wir haben noch eine andere Qualität, weil bei uns Wohnen, Arbeit und Geschäfte in einem direkteren Zusammenhang stehen und diese Bereiche zudem durch funktionierende Verkehrsinfrastruktur miteinander verbunden sind. Wir tun also etwas dafür, dass die europäische Stadt unser Modell der Zukunft bleibt.

Herr Bodewig[Sie haben sich Anfang Dezember energ]

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