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Omer Meir Wellber in Aktion

© Foto: Rosellina Garbo

Wiener Symphoniker zu Gast in Berlin: Lebendige Tradition

Die Wiener Symphoniker interpretieren mit dem Dirigenten Omer Meir Wellber und dem Pianisten Seong-Jin Cho Beethoven in der Berliner Philharmonie

Von Kilian Scholla

„Innovationsfreude“, wie in der Konzertankündigung ausgerufen, spricht nun nicht gerade aus dem Programm – die „Leidenschaft“ vielleicht schon eher. Die Wiener Symphoniker interpretieren unter der Leitung von Omer Meir Wellber Ludwig van Beethovens 3. Klavierkonzert und die 5. Symphonie. Beide Werke sind in C-Moll komponiert, der Tonart, die Friedrich Rochlitz 1824 als die „pathetische“ beschrieben hat.

Während die 5. Symphonie zur Uraufführung 1808 noch als symphonische Sensation wahrgenommen wurde, ist das Werk mittlerweile zu den wahrscheinlich populärsten des gesamten Klassikkanons avanciert. Kann der Gastspiel-Abend der Wiener in der Berliner Philharmonie also überhaupt innovative Erscheinungen bringen? Wurde zu viel versprochen?

Exzentrische Energie

Elastisch, paganinihaft, stürmt Sejong-Jin Cho zum Klavier. Der Wahlberliner und Gewinner des Chopin-Wettbewerb 2015 konnte sich schnell als gefeierter Star der Klassikszene etablieren. Mittlerweile spielt er mit den bedeutendsten Orchestern in den besten Häusern. Den Klavierpart des 3. Klavierkonzerts baut er von den Bassregistern aus auf. Seine linke Hand fusioniert mit dem Orchester, blitzt immer wieder mit spielerischen Akzenten hervor oder legt im Pedal unterstützende Klangflächen.

Gemeinsam mit Wellber, der fein balancierten Orchesterklang eng mit dem Klavier verflechtet, gelingt es, echte Kammermusikatmosphäre entstehen zu lassen. Cho scheut auch die schäumend, splitternden Klänge nicht, versucht er doch die klangliche Bandbreite des Klaviers auszureizen. Fraglich ist, ob angesichts des stilistischen Kontexts nicht einige, explosive Bassoktaven zu sehr in hochromantische Klanglichkeit verfallen oder einige Staccati zu extravagant kurz geraten. Während die Forte-Ausbrüche im 2. Satz, einem kontemplativen Intermezzo in E-Dur, übersteigert wirken, könnte der letzte, der im schnellen Tempo verrauscht, nun wieder von einer etwas tänzerisch-markigeren Anlage profitieren.   Beethovens Fünfte gilt als Meilenstein der Musikgeschichte und ist ganz auf die Es-Dur-Befreiung im 4. Satz hin konzipiert, die den Wienern in ausgelassener Musizierfreude gelingt. Leider ist es der erste Satz, der eher gehetzt als vor dramatischer Erregung sprudelnd gerät. Fast scheint es, als würde der musikimmanente Widerstand in der hohen Professionalität des Orchesters aufgelöst.

Das Ensemble ist hervorragend eingespielt und musiziert als brillant funktionierender Organismus. Der präzise Rhythmus der Symphoniker ist bemerkenswert, kann aber nicht ganz den Mangel an Poesie in manchem Moment beschwichtigen. „Poetischer Rhythmus“ ist wohl das, was die größten von den großen Klangkörpern unterscheidet. Mit zwei Werken ist das Programm nicht gerade üppig geraten. Selbst die konservativ-obligatorische Ouvertüre vor dem Solistenkonzert wird vorenthalten. Ist hierin der Innovationsfaktor zu verstehen? Beschwichtigen können immerhin zwei Zugaben von Johann Strauß, mit denen sich die Wiener Symphoniker beschwingt verabschieden.

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