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Wer zuletzt lacht. Wigald Boning und Thomas Koschwitz in "Selbstanzeige".

© Imago/Drama-Berlin.de

Wigald Boning im Schlossparktheater: Steuer wird teuer

„Die Selbstanzeige“ - eine Boulevardkomödie um den Fiskus und die fiesen Reichen

Ist die Steuerprüfung ein Statussymbol? Hat man die jetzt in der Hautevolee wie das Feriendomizil auf St. Barthelemy und den Maybach in der Garage? Auf jeden Fall verschafft das forcierte Interesse des Fiskus dem mutmaßlichen Sünder einige Aufmerksamkeit. Soviel hat der Fall Hoeneß bewiesen. Und vielleicht muss man vor diesem Hintergrund auch die Selbstanzeigen – die sich nach dem Uli-Urteil häuften wie einst die Suizide nach Erscheinen von Goethes „Werther“ – anders bewerten. Nicht als Akt der Panik oder gar Reue. Sondern als Buhlen um den gleichen Rummel, um Schlagzeilen und Prestige.

Im Stück „Die Selbstanzeige“ von Francis Veber (im Original „Cher trésor“) verfällt ein arbeitsloser Tagedieb namens François Pignon auf die Idee, eine Steuerprüfung vorzutäuschen. Nicht, dass bei ihm auch nur ein Cent zu holen wäre. Pignon – den Wigald Boning am Schlossparktheater als liebenswerten Loser in Ballonseide spielt – hat das Jurastudium nur bis zum Referendariat geschafft. Ist von seiner Frau verlassen worden. Und hütet nun zum Zeitvertreib das Luxusapartment seines reichen Patenonkels Pierre Jonville (Harald Heinz), den er kaum je zu Gesicht bekommen hat.

Pignons Überlegung: wenn das Finanzamt ihm auf den Fersen wäre, würden die Spekulationen ins Kraut schießen, ob er vielleicht Vermögen gebunkert habe. Und was könnte attraktiver sein? Tatsächlich gelingt es ihm, den knurrigen Steuerfahnder Maurice Toulouse (Thomas Koschwitz) in die Schmierenkomödie zu verwickeln. Der verspricht sich von dem Fake im Gegenzug Informationen über Pignons Patenonkel. Und schon ist die Büchse der Pandora geöffnet.

Die Innenarchitektin Christine (Astrid Kohrs), die Jonvilles Apartment mit zeitgenössischer Kunst der Sorte rostiges Abflussrohr mit Schraubenschlüssel vollstellt, fällt fast über Pignon her. Der Studienfreund Maurin (Oliver Nitsche), ein Erfolgsbanker, winkt mit neuen Kreditkarten. Und selbst Exfrau Marie (Anne Rathsfeld) steht plötzlich wieder auf der Matte. Nur die schöne Nachbarin Olga (Elze Gudaviciute) ist resistent gegen Reichtum. „Sobald es um Geld geht, zeigen die Leute ihr wahres Gesicht“, weiß Steuerfahnder Toulouse.

Thomas Schendel inszeniert die deutschsprachige Erstaufführung dieser deutlich an Molière geschulten Komödie – pointiert übersetzt von Hausherr Dieter Hallervorden – auf hohem Unterhaltungslevel und mit einem homogenen Ensemble, in dem auch Theaterdebütant Wigald Boning seine Sache toll macht. Autor Francis Veber („Dinner für Spinner“) schreckt zwar gerade im zweiten Teil vor keiner halsbrecherischen Boulevard-Wende mehr zurück. Aber die grundsarkastische Gesellschaftsdiagnose sitzt: einem reichen Verbrecher liegen die Leute zu Füßen. Für den armen Schlucker interessiert sich kein Schwein.

Patrick Wildermann

Vorstellungen am 9. 9., vom 28. bis 30.9., weitere Aufführungen bis Dezember..

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