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Kultur: Wir lassen uns das Tröten nicht verbieten

Eine Band als running Gag: In "Halbe Treppe" verfolgen die 17 Hippies den Imbissbesitzer Uwe (Axel Prahl). Der erste steht als Straßenmusiker im Morgengrauen mit dem Dudelsack da.

Eine Band als running Gag: In "Halbe Treppe" verfolgen die 17 Hippies den Imbissbesitzer Uwe (Axel Prahl). Der erste steht als Straßenmusiker im Morgengrauen mit dem Dudelsack da. Die Sacktröte geht dem Gastronomen ziemlich auf den selbigen. Doch er bleibt freundlich. Sowas rächt sich immer. Bald sind es zwei, dann drei, dann werweißviele. Schließlich hört der arme Mann ihr Gefiedel sogar zu Hause im Bad. Das gesamte Klangaufkommen für "Halbe Treppe" wurde bei den Dreharbeiten aufgenommen, also ohne Nachvertonung ins Kino gebracht. Doch die 17 Hippies wurden nicht alle in die Kloschüssel gesperrt. 1995 standen sie erstmals auf der Bühne des Café Swing, damals noch zu dritt. Obwohl ihr Debüt unglamourös endete, vermehrten sich die Hippies ungehemmt. Bis zu 30 Leute bedienen mittlerweile Bratsche, Posaune, Akkordeon, Ukulele, Drehleier, Balalaika, Banjo, Euphonium, Cello, und weiß der Geier was noch. Eine Dilettanten-Truppe im Geiste der seligen "3 Mustaphas 3", bestehend aus "richtigen" Musikern und Hobby-Hupern, -Trommlern, -Schrammlern, die im zivilen Leben als Übersetzer, Automechaniker, Steuerberaterin, Taxifahrer, Hausmeister oder Lektor ihre Schrippen verdienen.

Dass ihre Musik so gut zu Andreas Dresens Film passt, hat zwei Gründe: Zum einen wurde sie, wie die Handlung, während der Dreharbeiten aus Improvisationen entwickelt und einfach mit einem MD-Recorder aufgenommen, dessen Mikrofon über einer Stuhllehne hing. Zum anderen haben die 17 Hippies mit ihrem Querfeldein-Vergnügen aus allen folkloristischen Himmelsrichtungen eine Art modernen Zigeuner-Sound entwickelt, der sich mit der Unbehaustheit von Dresens Personal trefflich ergänzt. Nun werden sie wohl auch in ihrer Heimat entdeckt. In Frankreich und den USA spielen die Hippies bereits vor vollen Häusern. Aber auch ihre Homebase, der "Hippie-Haus-Tanz", einmal im Monat in der Kulturbrauerei (grundsätzlich ohne Verstärker, grundsätzlich umsonst und drinnen), ist ein beliebter Standard-Termin. Die Filmbranche hat die bunte Truppe gern als dekoratives Element dabei ("Felix-" und "Berlinale"-Events). Doch die Hippies waren ihrem Namen wohl immer zu sehr verpflichtet, um den Erfolg zu forcieren. Und sie sind, wie es sich nach Berliner Sitte ziemt, ein Kollektiv.

Ralph Geisenhanslüke

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