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Jahrhundertkünstler. Dirigent Kurt Sanderling wurde fast 99 Jahre alt. Foto: dpa

© picture-alliance / dpa/dpaweb

Kultur: Wir schreiten gern in seinem Schatten

Das Konzerthausorchester ehrt seinen langjährigen Chefdirigenten Kurt Sanderling zum 100. Geburtstag mit einer Festwoche.

Was für ein Nachhall! 35 Jahre sind vergangen, seit Kurt Sanderling sein Amt als Chefdirigent des Berliner Sinfonie-Orchesters quittiert hat. Und die Prägung ist noch immer so stark, dass Iván Fischer in elegantem Sprung über fünf Chefdirigenten der Zwischenzeit formulieren kann: „Es gibt für mich keine schönere Aufgabe, als das Erbe von Kurt Sanderling anzutreten, der dem Konzerthausorchester als Chef- und Ehrendirigent so lange verbunden war.“

Und nun eröffnet „sein“ Orchester, vormals Berliner Sinfonie-Orchester, für ihn zum 100. Geburtstag eine „Hommage an Kurt Sanderling“, die Veranstaltungen bis zum 30. September einschließt. Viele Weggefährten sind dabei unter den Musikern, und das Abschlusskonzert der Hommage an den 2011 Verstorbenen wird Michael Sanderling leiten, einer seiner drei Söhne, die alle Dirigenten geworden sind. Die Festschrift des Konzerthauses (10 €) zur Erinnerung an den Maestro dokumentiert, wie sie ihres Vaters gern gedenken, dass er ihnen fehlt: „So zu sein wie er, wäre schon schön“, sagt Stefan Sanderling.

Der Abend beginnt mit einem Werk, das Kurt Sanderling bei seinem Abschiedskonzert im Mai 2002 dirigiert hat: den Haydn-Variationen von Johannes Brahms. Und es kommt im Konzerthaus zu einem Andenken von magischer Wirkung: Iván Fischer steht am Pult, und über den Musikern zeigt ein Video, wie Kurt Sanderling mit seiner behutsamen Disziplin den „Chorale St. Antoni“ dirigiert, das Thema, bevor das Orchester live mit der ersten Variation einsetzt. Fischer begibt sich in eine wahrhaft dienende Interpretation unter dem nun über den Musikern stehenden Bild Sanderlings, das mit den Bläsergirlanden der dritten und dem Andante der vierten Variation langsam verblasst und entschwindet. Dann geht es mit Vivace ins Heute. Dem hätte Sanderling sicher zugestimmt, denn an dem Schicksal „seines“ Orchesters blieb er brennend interessiert, bis zuletzt als Teilnehmer unter den Zuhörern im Publikum.

Die Klavierpoetin Mitsuko Uchida schwärmt in Dankbarkeit: „Für mich war die Begegnung mit Kurt Sanderling nicht nur das größte Glück, sondern das größte Privileg.“ Gemeint sind die 19 Jahre, in denen sie regelmäßig mit ihm musizieren durfte. Nun war der Abend darauf ausgerichtet, dass sie wie damals beim Abschied 2002 das c-Moll-Konzert KV 491 von Mozart spielen wollte. Kürzestfristig und voller Enttäuschung hat sie krankheitshalber absagen müssen, hofft aber, dieses Konzert „baldmöglichst“ nachholen zu können.

Stattdessen erklingt das Klavierkonzert Es-Dur KV 482. Der amerikanische Pianist Jonathan Biss hat das Stück vorbereitet, um es im Rahmen der Hommage am 22. September zu spielen. Das wird dann das zweite Mal sein. Einspringend als „großer Freund“ Uchidas erweist sich Jonathan Biss als Mozart-Interpret von klarer, themenbezogener Vorstellungskraft, leuchtend im Klang bei subtiler Betonung.

Auf der Basis von acht Kontrabässen, wie Richard Strauss sie verlangt, folgt ein Kontrastprogramm aus dem Kernrepertoire Fischers. Die Lust am großen Orchester beflügelt ihn. Pausenlos reiht er „Rosenkavalier“-Walzer des dritten Aktes an die Sinfonische Dichtung „Till Eulenspiegels lustige Streiche“ und den „Tanz der sieben Schleier“, nicht gerade das stärkste Stück aus der Oper „Salome“. Aber es wird ein echter Rausschmeißer, der dem Orchester und dem feurigen Ungarn trotz seiner gelegentlichen Neigung zu pauschalem Schwung großen Applaus einbringt. Sybill Mahlke

Vom 23.–25.9. wird Mieczyslaw Weinbergs Oper „Wir gratulieren“ im Werner-Otto-Saal des Konzerthauses aufgeführt. Am 25.9. im großen Saal: Gastspiel des Orchesters aus dem ukrainischen Charkow, dessen Chef Sanderling 1939 – 1942 war. Infos: www.konzerthaus.de

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