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Kultur: Wirklich wahr

Immerhin, ein bisschen Krach haben sie gemacht, die Herren vom „relevanten Realismus“. Im Juni war es, als Matthias Politycki, Martin R.

Immerhin, ein bisschen Krach haben sie gemacht, die Herren vom „relevanten Realismus“. Im Juni war es, als Matthias Politycki, Martin R. Dean, Thomas Hettche und Michael Schindhelm in der „Zeit“ ein kämpferisches Positionspapier veröffentlichten. Was die Vertreter einer mittleren Schriftsteller-Generation nicht wollen, ist klar: auf der einen Seite die schwierige, angeblich als Lesebremse fungierende „selbstreferenzielle Literatur“ der Älteren. Auf der anderen den „populistischen Begriff der Realität“ der Jüngeren. Aber was wollen sie? „Zeitgenossenschaft“ betreiben und „ästhetisch-moralische Verantwortung“ übernehmen. Kann man sich schreibend eigentlich von Zeitgenossenschaft abschotten?

Vielleicht können Georg Klein , Thomas Lang und Susanne Riedel etwas Licht in die Realismus-Diskussion bringen. Sie gehören zu den Beiträgern der Jahresanthologie „small talk im holozän“ (Schwartzkopff Buchwerke), auf die die Zeitschrift „neue deutsche literatur“ zusammengeschrumpft ist. Heute debattieren sie im Brechthaus (20 Uhr, Chausseestr. 125, Mitte) über „Gefühlte Wirklichkeit oder Brauchen wir mehr Realismus in der neuen deutschen Prosa?“

Matthias Politycki hat die schriftstellerische Praxis zur theoretischen Streitschrift gleich nachgeliefert, mit seinem Roman „Herr der Hörner“ (Hoffmann und Campe). Da fährt ein Hamburger Banker nach Kuba und bemerkt dort, dass es mehr gibt als abendländische Rationalität und glatte Konsumoberflächen. Denn in Kuba herrscht das pralle Leben. Der Mann entdeckt das Ursprüngliche und Eigentliche und nimmt einen kräftigen Schluck aus der Pulle „Gegenaufklärung“. Dieser wunderlichen Spielart des „relevanten Realismus“ kann man ebenfalls heute (20 Uhr) im Roten Salon der Volksbühne beiwohnen.

Bei so viel „Realismus“ fällt einem prompt das Konkurrenzmodell ein: jener Ritter von der traurigen Gestalt, der eine Barbierschüssel für den Helm des Mambrin hält und ein Bauernmädchen für die hochherrschaftliche Dame Dulcinea. Der Niederländer Cees Nooteboom ist Don Quijote begegnet, auf seinem „Umweg nach Santiago“ (Suhrkamp). Am 1.12. (19 Uhr) liest Nooteboom im Simón-Bolívar-Saal des Ibero-Amerikanischen Instituts (Potsdamer Str. 37, Tiergarten).

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