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Kultur: Würfelwunder im Gelobten Land

Im Jahr 1931 skizzierte der Architekturkritiker Max Osborn in der Zeitung des "Central-Vereines deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens" eine deutsch-jüdische Architekturgeschichte von dem Schinkel-Schüler Friedrich Hitzig bis zum Expressionisten Erich Mendelsohn.Er konnte nicht ahnen, daß dies zugleich ein architekturhistorischer Nachruf war - und daß nur wenige Jahre später ein wesentlicher Teil der modernen "deutschen" Architektur in Palästina entstehen sollte.

Im Jahr 1931 skizzierte der Architekturkritiker Max Osborn in der Zeitung des "Central-Vereines deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens" eine deutsch-jüdische Architekturgeschichte von dem Schinkel-Schüler Friedrich Hitzig bis zum Expressionisten Erich Mendelsohn.Er konnte nicht ahnen, daß dies zugleich ein architekturhistorischer Nachruf war - und daß nur wenige Jahre später ein wesentlicher Teil der modernen "deutschen" Architektur in Palästina entstehen sollte.Denn seit 1933 wurden jüdische Architekten systematisch aus dem Geschäft gedrängt, und viele, denen es überhaupt gelang zu emigrieren, gingen nach Palästina.

Tel Aviv und Haifa, die Vororte von Jerusalem, die Kibbuze und Siedlungen änderten in den folgenden Jahren ihr Gesicht, und von den eher romantisch-arabisierenden Architekturen der ersten Jahrhundertjahrzehnte blieb wenig übrig.Weiß und kubisch, aus Beton und Glas wurden die neuen Häuser gebaut, in Jerusalem allenfalls mit dem von der Mandatsmacht aus Heimatschutzgründen vorgeschriebenen Naturstein verkleidet.Deutsche Architekten und solche, die in Deutschland ihre Ausbildung genossen hatten, prägten dann auch die Architektur des jungen Staates Israel wie sonst kaum eine andere Einwanderergruppe, bis hin zu Gebäude für die Knesset - das israelische Parlament - 1968 errichtet von dem in Warschau geborenen, in München und Berlin ausgebildeten Joseph Ossip Klarwein.

In einer kleinen, hochkonzentrierten Ausstellung des Deutschen Architektur-Zentrums wird diese Geschichte lebendig.Drei Wände mit dichtbepackten Tafeln (deren Grafik unverkennbar von der Windows-Oberfläche geprägt ist) stellen die Weltpolitik, die von den Konflikten zwischen britischen Mandatsbehörden, Juden und Arabern geprägte Politik in Palästina in den Zusammenhang mit der zeitgenössischen Architektur zwischen Jordantal und Mittelmeer.Grundlage ist das vorzügliche Buch, das Myra Warhaftig über die Geschichte der deutschsprachigen Architekten in Palästina veröffentlicht hat ("Sie legten den Grundstein.Leben und Wirken deutschsprachiger jüdischer Architekten in Palästina 1918-1948", Wasmuth-Verlag Tübingen, 98 Mark).Im Gegensatz zu vielen oberflächlichen Untersuchungen hat Warhaftig darin gründliche biographische Studien zu insgesamt 47 Architekten und Architektinnen vorgelegt, die gleichzeitig auch eine statistische Grundlage für weitere Exil-Forschungen bilden.So kann man im DAZ auch sehen, daß keineswegs nur vom Bauhaus geprägte Architekten nach Palästina gingen, sondern auch solche, die man eher als "konservativ" einschätzen würde.

Ergänzt wird das von Myra Warhaftig zusammengestellte Material durch eine von ihr bereits 1987 konzipierte kleine Ausstellung aus dem Hebbel-Theater über dessen Architekten, den wohl bedeutendsten deutschen Theaterplaner der ersten Jahrhunderthälfte - Oskar Kaufmann.Zeitungsausschnitte, Fotos, Bücher und Akten zum Werk Kaufmanns, vor allem aber auch der Berliner Architekten Alexander Klein, Harry Rosenthal - hinreißend das Atelierhaus für Arnold Zweig, eine Studie in Stahl, Beton und riesigen Glasflächen - treten hinzu.Keine Ausstellung zum Schnell-Hindurchgehen.

Dennoch: sie ist vor allem ein Appetizer für die dringend zu wünschende große Ausstellung über jüdische deutsche Architekten, ihren Erfolg und ihren Gang ins Exil.Allerdings zeigt die Ausstellung eben auch, wie groß noch der Nachholbedarf der Forschung ist, bevor eine solche übergreifende Ausstellung veranstaltet werden kann, deren Grundkonzept bereits von Osborn vor nunmehr 67 Jahren formuliert wurde.Doch vielleicht fühlt sich ja nun das neue Jüdische Museum herausgefordert, diesem Seitenzweig der deutsch-jüdischen Geschichte endlich nachzugehen.

Deutsches Architektur-Zentrum, Köpenicker Str.48/49, bis 10.Januar, Montag-Sonnabend 10-18 Uhr

NIKOLAUS BERNAU

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