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Kultur: Zuckernebel

Pierre-Laurent Aimard macht Kammermusik

Wenn Neue-Musik-Spezialisten Altes spielen, tönt das oft kühl und scharf geschnitten. Wenn Pierre-Laurent Aimard im Kammermusiksaal mit drei philharmonischen Streichern Mozarts Klavierquartett gibt, klingt es, als ob einfach zu wenige Töne bereitstünden, um alle Energie ihres Interpreten aufzunehmen. Aimard ergeht sich einerseits bei den Läufen in jener Mischung aus Nebel und Zucker, die man gemeinhin mit dem „Mozart-Ton“ gleichsetzt. Andererseits zieht er hier an den Melodiephrasen, bricht dort zur Seite hin aus, buchstabiert den Beginn des Andante, scheint sich im dicklich anhebenden Rondo über jeden Doppelschlag zu freuen, der ihm ein paar zusätzliche Töne bietet. Sollte Mozart zu simpel sein für heutige Ohren? Das kann nicht sein.

Mit Elliott Carters Quintett für Klavier und Streichquartett von 1997 hatte es begonnen; anfangs der kurze Schreck schweren Streichergesäbels, dann doch wieder das neobarocke, quasi-romantische Miteinander von sattem Ton und Neukonstruktion, für das der große alte Herr der amerikanischen Komposition berühmt geworden ist. Die Glanzstücke des mit „Klarheiten“ überschriebenen Abends folgen erst danach, mit Pierre Boulez’ Sonatine für Flöte und Klavier (1945), hell, hoch virtuos, erregt changierend – Boulez selbst nickt Aimard und der französischen Flötistin Sophie Cherrier aus dem Publikum freundlich zu. Mozarts Quintett für Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott am Schluss lässt ein weiteres Mal hören, wie gerade, ja quadratisch klar eine Passage wie das anfängliche Largo unter neuem Zugriff klingt. Und wie die Bläser übernehmen, was das Klavier naturgemäß nicht leisten kann, nämlich einzelne Töne zu modellieren. Wenn Tasten einmal angeschlagen sind, ist nichts mehr zu machen. Doch Jonathan Kellys Oboe! Die Klarinette von Karl-Heinz Steffens! Ein großartiger Ausklang.

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