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Kultur: Zukunftsmusik

Gegen das Gejammer in der Popwelt

Neulich kam ich nach einer langen Konzertnacht, es war mal wieder Mittag geworden, in mein Büro. Mein Blick fiel auf ein Plakat. Das Plakat ist von der MarketingAgentur Partner für Berlin. Es zeigt meinen Club, die Maria am Ufer, damals noch am Ostbahnhof, darüber steht: „The New Berlin“.

Heute wirkt das Plakat wie aus einer anderen Zeit. Vor wenigen Jahren noch galt die Clubszene als Hoffnungsträger für den Wirtschaftsstandort. Inzwischen ist das große Jammern ausgebrochen. Die Musikindustrie beklagt sich über Verluste durch schwarz gebrannte CDs, die Clubs über stiefmütterliche Behandlung durch die Politik. All dies ist ebenso wahr wie überzogen. Am wenigsten tun mir dabei die Monopolisten der Major-Label Leid. Die sollten weniger jammern und lieber ihre überteuerten CD-Preise senken, als Schwarzbrenner in teuren Kampagnen zu kriminalisieren. Firmen wie Sony verdienen erheblich am Geschäft mit CD-Rohlingen und Brennern mit.

Da wirkt die Klage über illegale Kopierer etwas scheinheilig. Zum Glück gibt es noch genug kleine Independent-Label, die interessante Musik machen – und von den Verlusten der Branchenriesen profitieren können. Gerade die großen Firmen sind ja in den vergangenen Jahren mit einem warmen Geldregen heftig umworben worden. Überträgt man die Situation von Unternehmen wie Universal oder MTV einmal auf die Club-Szene, die viele der Acts aufgebaut hat, die nun industriell vermarktet werden, so steht es dort weit weniger gut. Als „Standortfaktoren“ dürfen sie für die Imagewerbung herhalten. Mehr als Lippenbekenntnisse haben sie aber meist nicht zu erwarten. Den Worten sollten Taten folgen, zum Beispiel bei der Vermittlung bezahlbarer Räume.

Am Pessimismus möchte ich mich dennoch nicht beteiligen. Was die Musik selbst angeht, gibt es dazu auch keinen Grund. Die Clubmusik ist abwechslungsreich und breit aufgestellt wie nie zuvor. Wenn ich über die Musik der Zukunft spekulieren soll, so würde ich mir mehr schwarze Musik wünschen. Der Rock’n’Roll ist bereits in die Elektronik eingezogen, das beweisen Platten wie das gefeierte Album „Fatherfucker“ der Sängerin Peaches oder „Fly or Die“ der Multitalente von N.E.R.D. Wenn sich deutsche elektronische Experimentierfreude mit der Seele eines James Brown trifft, dann wäre das meine private Vision für die Zukunft.

De Biel betreibt den Club „Maria am Ufer“ in Friedrichshain. Foto: M. Eberle

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