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Objekt der Begierde. Eine Koje mit Fotografien von Lee Friedlander 2012 auf der Messe Paris Photo im Grand Palais.

© EPA/Christophe Karaba

Zum 80. Geburtstag des US-Fotografen Lee Friedlander: Quer durch den ächzenden Kontinent

Lee Friedlander gehört zu den Virtuosen des Genres Street Photography. Man könnte seine Bilder leicht für einen sarkastischen Kommentar auf den American Way of Life halten. Aber sie sind vielmehr eine Hymne auf das Land der Freiheit.

Street Photography, das ist eine Augenblickskunst, bei der es darauf ankommt, flüchtige Begegnungen auf der Straße festzuhalten. Spielende Kinder an einem wasserspeienden Hydranten, das zerfurchte Gesicht eines Passanten, ein surreal anmutendes Schaufenster. Lee Friedlander gehört zu den Virtuosen dieses Genres und er hat sogar Street Photography im Wortsinn betrieben, indem er Asphalt, Schotter und Kies fotografierte. Seine Serie „America By Car“, für die er zehn Jahre lang in fast allen fünfzig Bundesstaaten unterwegs war, entstand vom Fahrersitz eines Leihwagens aus. Zu sehen sind Armaturenbrett und Windschutzscheibe, der Rückspiegel mit einem kleinen Bild im Bild darin, die Straße sowie die große weite Welt da draußen: Wiesen, Wälder und Wüsten, Kirchen, Silos und Ölfelder, grasende Pferde und die waghalsig aufgetürmte, von einer Freiheitsstatue bewachte Fake-Architektur von Las Vegas. Einmal steht auch ein grinsender Polizist neben dem Auto.

Man könnte die Fotoserie, die 2008 zum ersten Mal in der Fraenkel Gallery in San Francisco gezeigt wurde, für einen sarkastischen Kommentar auf den American Way of Life halten, der sich in einer klimaanlagenkühlen Komfortzone gegen die Wirklichkeit abschottet. In Wirklichkeit ist Friedlander mit seinen Schwarz-Weiß-Bildern eine Hymne auf Amerika als Hort der Freiheit gelungen, ganz in der Tradition von Walt Whitmans „Gesang von der offenen Straße“ und Jack Kerouacs Roman „On The Road“ über die „ununterbrochenen Verzückung“ bei den Reisen „quer durch den ächzenden Kontinent“. Schon Walker Evans („Let Us Now Praise Famous Men“) und Robert Frank („Die Amerikaner“) waren mit ihren Kameras aufgebrochen, um den Alltag des riesigen Landes und der Menschen zu dokumentieren.

Friedlander studierte am Art Center of Design im kalifornischen Pasadena und zog 1956 nach New York, wo er Jazzmusiker für die Cover ihrer Alben fotografierte. Immer ging es ihm um die social landscape, er nahm Menschen inmitten der Umgebung auf, die sie prägte. Aufsehen erregten Serien über „American Musicians“ und „American Monuments“, vergessene Denkmäler der US-Geschichte. Den Durchbruch schaffte er 1967 gemeinsam mit Diane Arbus mit der Ausstellung „New Documents“ im Museum of Modern Art. An der Fotografie, sagt er, liebe er vor allem ihre „Direktheit“: „Anders als in jedem anderen Medium kannst du gleichzeitig den Baum und den ganzen Wald haben. Das ist aufregend.“ Heute feiert Lee Friedlander seinen 80. Geburtstag.

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