zum Hauptinhalt
Achim Bergmann.

© dpa/Trikont

Zum Tod von Achim Bergmann: Mao & Bommi

Achim Bergmann ist am 1. März im Alter von 74 Jahren gestorben. Zum Tod des Verlegers des Labels Trikont.

Befreiung, so lautete nach 1968 die Parole. In Deutschland, das die Alliierten vom Nationalsozialismus befreit hatten, sollte die Rettung nun von innen kommen. „Wir befreien uns selbst“ hieß die erste Schallplatte, die das Münchner Musiklabel Trikont 1972 veröffentlichte. Zu hören waren Arbeiter- und Protestlieder, aufgenommen von den Machern der Firma selbst, die mit einer mobilen Einsatzkapelle vor den Toren des BMW-Werks agitiert hatten. „Da werden Menschen zu Maschinen, Maschinen, die Maschinen bedienen“, skandieren sie, auf dem blutrot eingefärbten Cover ist ein Transparent zu sehen: „Die Traum gehört uns, die Häuser gehören uns, wir nehmen, was uns gehört.“

„Die Revolte damals suchte Verbündete in der ganzen Gesellschaft, auch bei Arbeitern“, erinnert sich Labelchef Achim Bergmann fast fünfzig Jahre später. Vorbild waren die radikalen, selbst gemachten Songs der italienischen Bewegung „Lotta Continua“. Von ihr „lernten wir, wie sehr Musik und gemeinsames Singen verbinden und begeistern kann“. Begonnen hatte Trikont 1967 als Buchverlag. Che Guevaras „Bolivianisches Tagebuch“, die Mao-Bibel und die Bekenntnisse „Wie alles anfing“ des Stadtguerilleros Bommi Baumann waren frühe Bestseller. Bergmann, aufgewachsen im Sauerland, stieß 1969 zum Unternehmen, das er mit seiner Partnerin Eva Mair-Holmes fortan prägen sollte. Nach München war er zum Studium gekommen, die Schüsse auf Benno Ohnesorg hatten ihn politisiert, eine Zeit lang arbeitete er als Redakteur bei der „Kommunistischen Arbeiterzeitung“. Ein Missverständnis, Bergmann sah sich als undogmatischer, an Theorie eher nicht interessierter Linker: „Ich bin ein Nichts an politischer Bildung.“

Begonnen hatte Trikont als Buchverlag

In der Praxis baute er Trikont – eine Pioniertat der alternativen Marktwirtschaft – zur wichtigsten deutschen Independant-Firma auf. Unter dem Labelslogan „Our own voice – unsere Stimme“ war Platz für vieles: Anti-Atomkraft-Songs, feministische und schwule Lieder, wiederentdeckte bayrische Volksmusik, Folk und Soul aus Amerika. Für Karl Valentin genauso wie für den Kreuzberger Barden Funny van Dannen, die österreichische Zwei-Mann-Kapelle Attwenger, Swing-Veteran Coco Schumann, die Hamburger Singer/Songwriterin Bernadette La Hengst oder, jüngste Hitlieferanten, die Barfuß-Blasmusiker LaBrassBanda vom Chiemsee. Rund 500 Alben brachte Trikont heraus, außerdem vertrieb das Unternehmen von einem alten Handwerkerhaus im Münchner Arbeiterviertel Giesing aus Platten von Pete Seeger oder Ton Steine Scherben. Bergmann entdeckte Verbindungslinien zwischen den Protestsongs von 1970, heutigem Hip-Hop und Wiener Gstanzl-Songs aus der Zeit um 1900, in denen Sänger klagten: „Und ich weiß nicht, ich hab halt mit der Arbeit keine Freud', denn gerade mit der Arbeit versäumt man die Zeit.“ So entstand ein Musikprogramm, über das etwa der „San Francisco Bay Guardian“ staunte: „Neoprimitive folk, do it yourself-music.“

Rund 500 Alben brachte Trikont heraus

„Freiheit, Glück, gemeinsames Leben machen Trikont aus“, so formulierte Achim Bergmann seine Firmenphilosophie. Zuletzt machte der Musikverleger buchstäblich Schlagzeilen, als er bei der Frankfurter Buchmesse am Stand der neurechten „Jungen Freiheit“ von einem Angreifer per Fausthieb niedergestreckt wurde. Auf dem Podium war gegen Homo-Ehe und Gleichberechtigung gewettert worden, der Zaungast hatte gerufen: „Du redest Scheiße.“ Achim Bergmann ist am 1. März gestorben. Er wurde 74 Jahre alt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false