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Der amerikanische Musiker Bill Withers (1938-2020).

© dpa

Zum Tod von Bill Withers: Die Liebe und ihr Mantra

Bill Withers war einer der großen Soul-Songwriter. Er steht in einer Reihe mit Marvin Gaye und Isaac Hayes. Jetzt er in L.A. gestorben. Ein Nachruf.

Ein Song kann dir das Gefühl geben, nicht allein zu sein. Vielleicht ist Musik genau deshalb entstanden: um Hoffnung zu spenden, die Einsamkeit zu besiegen. „Lean On Me“ gehört zu diesen Liedern, die Leben retten können.

Er beginnt mit Klavierakkorden wie aus einer Gospelkirche, dann setzt eine Orgel ein und ein Summen, aus dem sich eine warme Baritonstimme erhebt. Sie singt vom Schmerz und der Angst, die uns lebenslang begleiten, vom Stolz, den es zu überwinden gilt, und den Träumen, die nicht aufgegeben werden dürfen.

Wenn du Hilfe brauchst, bin ich da

Es geht um ein Ich und ein Du und um den Weg von einem zum anderen. Die Kernzeile lautet: „You just call on me brother, when you need a hand“. Wenn du Hilfe brauchst, werde ich da sein. So ähnlich steht das auch in der Bibel und im Kommunistischen Manifest, aber hier ist die frohe Botschaft mit Streichern und Handclaps unterlegt.

Bill Withers hat „Lean On Me“ 1972 geschrieben, der Song ist auf seinem zweiten Studioalbum „Still Bill“ enthalten. Der Sänger war gerade nach Los Angeles gezogen, in eine Millionenstadt, die ihm kalt und unpersönlich vorkam.

Er träumte sich zurück nach Slab Fork, das Bergarbeiternest mit 200 Seelen in West Virginia, in dem er 1938 geboren worden war. Eine Idylle? Nicht nur. Als Bill drei war, ließen die Eltern sich scheiden. Als er 13 war, starb der Vater. Als er 18 war, alt genug für die Armee, verpflichtete sich Withers bei der US-Navy und blieb neun Jahre dort. Er überwand sein Stottern, begann Songs zu schreiben.

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Nach dem Abschied von der Navy arbeitete er als Mechaniker bei Boing. Demos seiner Stücke nahm er mit eigenem Geld auf. „Ich habe den verdammten Plattenfirmen meine Songs vorgespielt. Endlos. Jahrelang“, erzählte er später der „Süddeutschen Zeitung“.

Irgendjemand muss dann doch etwas genauer hingehört haben. Withers bekam einen Vertrag bei Sussex Records, einem kleinen Label in Los Angeles. Aber selbst, als er dort 1971 seine erste Platte veröffentlichte, behielt er sicherheitshalber den Job in der Luftfahrt. Er misstraute der Musikindustrie.

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Die Platte war eine Single, mit einem Jahrhundertsong auf der A-Seite: „Ain't No Sunshine“. Ein Stück, das lange keiner haben wollte. Weil es, so Withers, den Weißen zu schwarz und den Schwarzen zu weiß klang. Nun eroberte es den dritten Platz der Billboardcharts, verkaufte sich innerhalb eines Jahres mehr als eine Million mal und brachte seinem Komponisten einen Grammy ein.

„Ain't No Sunshine“ ist eine Liebesabschiedshymne von grandioser Simplizität, fast ein Mantra. Nur Gitarre und Stimme, später kommen melancholische Streicher dazu. Neun Zeilen werden wiederholt und variiert, wie Gedanken, die kreisen.

Flehentlich singt der Sänger von der Frau, die ihn verließ, zwischendurch ist seine Stimme purer Rhythmus, stottert: „I know, I know, I know.“ Die Geliebte ist gegangen, und die Sonne hat aufgehört zu scheinen.

Auftritt mit James Brown in Zaire

Soul ist Musik, die Schmerz transportiert. Withers zeigt sich und seine Gefühle, folgerichtig trägt sein Debütalbum den Titel „Just as I Am“. Auf dem Cover ist der Sänger als Mechaniker abgebildet, im T-Shirt und mit Stullentasche lehnt er am Eingang einer Aircraft-Werkstatt im kalifornischen Burbank.

Produziert wurde die Platte vom Stax-Meister Booker T. Jones, Stephen Stills spielt die Leadgitarre. Withers ist jetzt ein Star, mit James Brown tritt er beim legendären „Rumble in the Jungle“-Boxkampf zwischen Muhammad Ali und George Foreman in Zaire auf. 1975 wechselt er zum Großlabel Columbia.

Mitte der Achtziger zog er sich ins Privatleben zurück

Bill Withers ist einer der großen Soul-Songwriter, er gehört in eine Reihe mit Bobby Womack, Marvin Gaye und Isaac Hayes. Zu seinen Hits zählen das Gospel-Gemälde „Grandma's Hands“, das pulsierende Hochglanzpopstück „Just the Two of Us“, die stotternde Aufforderung „Use Me“.

Mehr als für den Dancefloor eignen sich seine zeitlosen Lieder dafür, unter dem Kopfhörer gehört zu werden. 1985, nach acht Alben, zog er sich ins Privatleben zurück. Vielleicht, weil er glaubte, seinen Aufnahmen nichts mehr hinzufügen zu haben. Das machte ihn erst recht zur legendären Figur, zum großen Schweiger des Soul.

„Ich bin kein Virtuose, aber ich habe Songs geschrieben, mit denen sich die Leute identifizieren konnten. Für einen Mann aus Slab Fork ist das nicht schlecht“, hat er gesagt. Bill Withers ist am Montag in Los Angeles an Herzkomplikationen gestorben. Er wurde 81 Jahre alt.

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