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Die Romanverfilmung "Einer flog über das Kuckucksnest" brachte Forman seinen ersten Oscar ein. In der Nacht zum Samstag starb der Regisseur im Alter von 86 Jahren.

© AFP/Martin Bureau

Zum Tod von Miloš Forman: Asteroid über dem Kuckucksnest

Seine Filme „Einer flog über das Kuckucksnest“ und „Amadeus“ wurden mit Oscar-Trophäen überhäuft. Nun ist er mit 86 Jahren gestorben.

Von Andreas Busche

Über sein Leben hat Miloš Forman immer wieder gesagt, dass er unter zwei totalitären Regimes aufgewachsen sei. In seinen Memoiren „Turnaround“, die 1993 erschienen, beschrieb der tschechische Regisseur, wie er seine Eltern verlor. Mit sieben Jahren musste er mit ansehen, wie die Nationalsozialisten seinen Vater verhafteten. Miloš saß in der Klasse, als er vom Lehrer vor die Tür gerufen wurde. Dort stand sein Vater in Begleitung von zwei deutschen Polizisten. Er erinnert sich daran, dass der Vater ihm einen Umschlag zusteckte: „Sag Mutter, alles ist in Ordnung, ich bin bald zurück.“ Er sah ihn nie wieder. Als Miloš zehn war, holte die Gestapo auch seine Mutter ab. Seine Kindheit verbrachte er bei Verwandten, erst dreißig Jahre später erfuhr Forman, dass nicht seine leiblichen Eltern in den deutschen KZ gestorben waren.

Angesichts einer solchen Lebensgeschichte ist es schon erstaunlich, dass Miloš Forman einige der komischsten Filme der tschechoslowakischen Neuen Welle drehte. Forman lernte sein Handwerk in den fünfziger Jahren an der Prager Filmschule, damals seien die Repressalien aus Moskau immens gewesen, erinnert er sich später. Ein Glück für den jungen Forman, denn die unliebsamen Regisseure und Autoren wurde von den Kommunisten zu Filmdozenten degradiert. Der Jungfilmer bekam so früh eine gesunde Skepsis gegenüber Dogmen und Konformismus eingeimpft.

Diese trug schon in seinen ersten Arbeiten Früchte. Zwischen 1964 und 1967 tauchte Forman mit dem Triplett „Der schwarze Peter“, „Die Liebe einer Blondine“ und „Der Feuerwehrball“ auf der internationalen Bildfläche auf. Gleich sein zweiter Film brachte ihm eine Oscar-Nominierung – und weckte das Misstrauen der Zensurbehörden, die in dem Sittenbild über eine junge Fabrikarbeiterin aus der Provinz, die, statt dem kommunistischen Regime zu dienen, einem freigeistigen Jazz-Pianisten nach Prag folgt, eine Zersetzung kommunistischer Werte vermuteten. Trotzdem etablierte „Die Liebe einer Blondine“ Forman neben Vera Chytilová, Jirí Menzel und Ján Kadár als einen maßgeblichen Regisseur der New Wave, der die hohe Kunst des Klamauks politisch zuspitzte.

Die Einflüsse von Charlie Chaplin und Buster Keaton waren in den Filmen ebenso gegenwärtig wie eine böhmische Urgemütlichkeit. In „Der Feuerwehrball“ gibt es einige der tollsten und rustikalsten Saufgelage des osteuropäischen Autorenkinos. Unmittelbar darauf erhielt Forman eine Einladung nach Hollywood – keine Sekunde zu früh. Als die russischen Panzer durch Prag rollten, hielt er sich gerade für Verhandlungen in Paris auf. Ehe er sich versah, fand sich Miloš Forman plötzlich unter den jungen Wilden von New Hollywood wieder.

Und was war der erste Wunsch des politischen Dissidenten aus dem Osten? Er wollte in Hollywood das Hippie-Musical „Hair“ verfilmen. (Das klappte aus rechtlichen Gründen allerdings erst zehn Jahre später). Stattdessen wurde ihm nach dem Flop „Taking Off“, einer der schönsten Filme jenseits des New-Hollywood-Kanons, ein Projekt angeboten, das sein Leben veränderte: die Romanverfilmung „Einer flog über das Kuckucksnest“ von Ober-Hippie, LSD-Avantgardist und „Merry Prankster“-Gründer Ken Kesey. Die Tragikomödie über die Insassen einer totalitär geführten Nervenheilanstalt ermöglichte es Forman, noch einmal seine Erfahrungen in der CSSR nachzuspielen. Der Film machte Jack Nicholson endgültig zum Star und brachte Forman seinen ersten Oscar ein; der zweite folgte neun Jahre später für „Amadeus“.

Ein großartiger Regisseur! Mit dem "Kuckucksnest" hat er eine ganze Generation berührt. Aber auch seine Filme vor Hollywood wie der "Feuerwehrball" sind echte Perlen der Filmgeschichte. Mach es gut, Milos Forman.

schreibt NutzerIn gehdochnachdrueben

In Amerika fühlte sich Forman, der in New York lebte, immer zu Hause – obwohl er nach „Kuckucknest“ nur noch sieben weitere Filme drehte. Er käme mit dem kommerziellen Druck der Studios besser zurecht als mit dem ideologischen Druck in seiner Heimat, war eines der für ihn typischen Bonmots. Und Forman bewies auch in Amerika ein Faible für Querköpfe. 1996 verfilmte er mit „Larry Flynt – Die nackte Wahrheit“ den Prozess des kontroversen „Hustler“-Herausgebers, der vor dem Obersten Gerichtshof sein Recht auf Meinungsfreiheit eingeklagt hatte. Das Porno-Business habe ihn nie interessiert, verteidigte er sich damals gegenüber seinen Kritikern, ihm gehe es um die Verteidigung der Grundrechte. Der Film gewann den Goldenen Bären und legte den Grundstein für Courtney Loves viel zu kurze Filmkarriere.

Einen Stern auf Hollywoods „Walk of Fame“ erhielt Forman nie, dafür hat er auf ewig seinen Platz am Firmament. 1999 benannten zwei tschechische Astronomen einen Asteroiden nach ihren Landsmann. Im Kino wird sein Stern für immer leuchten, auch mit bloßem Auge. In der Nacht zum Samstag starb Miloš Forman nach kurzer Krankheit mit 86 Jahren.

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