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Pariser Platz: Micky und Co. machen Jagd auf Touristen

Am Brandenburger Tor nerven Bettler in Plüschkostümen mit einer neuen Masche. Und Behörden können nichts dagegen tun.

Der Tiger vor dem Adlon hat neue Opfer ausgemacht, eine Gruppe Schülerinnen. Langsam pirscht er sich durchs menschliche Dickicht auf dem vollen Pariser Platz von hinten an seine Beute ran. Dann schlägt das Raubtier zu, packt eines der Mädchen an der Hüfte – und winkt. Das erschrickt erst und lacht dann. „Mach mal ein Foto!“ ruft sie einer Freundin zu. Doch die senkt die Kamera und deutet auf die Gelddose, die dem Tiger um den Hals baumelt: „Ne, ne, der kostet Geld.“

Der Tiger ist Teil einer neuen Gruppe von organisierten Bettlern, die es in Tierkostümen auf Touristen am Pariser Platz abgesehen haben. Er und seine verkleideten Artgenossen – ein Gorilla, ein gelbes Hühnchen und Micky Maus – versuchen, sich von Touristen fotografieren zu lassen, um dafür dann Geld zu kassieren – einen bis fünf Euro pro Foto.

Ein Besuch am Pariser Platz gleicht mittlerweile einem Spießrutenlauf. Wer auf dem Weg von der S-Bahn-Station zum Brandenburger Tor bisher noch erfolgreich dem Berliner Bären und den verkleideten Soldaten ausweichen konnte, könnte nun an Micky Maus scheitern. Denn anders als die bisherigen Fotomotive warten die kostümierten Bettler nicht, bis man sie für ein Bild anspricht. Die dreiste und nervige Masche ist dabei immer dieselbe: Sie drängen sich winkend in herumstehende Gruppen und deuten auf die Kamera. Oder sie stellen sich einfach zu Touristen, die sich gerade vor dem Brandenburger Tor fotografieren. Wenn dann spontan ein Bild geschossen wird, halten sie die Hand auf. Touristen, die danach irritiert sind und nicht zahlen wollen, laufen sie nach oder halten sie sogar am Arm fest.

Schon oft wurde zu viel Spektakel an zentralen Orten wie dem Pariser Platz oder dem Alexanderplatz beklagt. Regelmäßig ziehen Demonstrationen durchs Brandenburger Tor. Mobile Würstchengrills und Flyerverteiler bevölkern den Alex. „Wir haben einen Positiv-Negativ-Katalog für die Sondernutzung öffentlichen Straßenlandes aufgestellt“, sagt Ordnungsstadtrat Carsten Spallek (CDU). „Daran orientieren wir uns.“ So sollen Genehmigungen nur an Veranstaltungen vergeben werden, die eine kulturelle oder stadtweite Bedeutung haben, kommerzielle Veranstaltungen dagegen in Maßen gehalten werden. Demonstrationen fallen jedoch in die Zuständigkeit der Genehmigungsbehörde. „Und da brauchen sie schon gute Gründe um eine Demo zu verbieten“, sagt Spallek. Die zahlreichen Grill-Walker und Bauchhändler dürfen im Rahmen der Gewerbefreiheit überall verkaufen, wo keine „Verbotszone“ gilt, erklärt Spallek. Und diese Zonen werden nur über „Orte von besonderer Bedeutung“ verhängt, so am Bebelplatz wegen der Bücherverbrennung durch die Nazis im Jahre 1933. Der Alexanderplatz gilt lediglich als „öffentlicher Stadtplatz“, daher darf hier gehandelt werden.

Im Fall des dreisten Tigers sind den Politikern jedoch die Hände gebunden, denn Betteln ist legal. Nach deutschem Recht gelten die plüschigen Fotomotive am Pariser Platz auch nicht als Gewerbetreibende, sondern als Künstler – und die dürfen auch in den Verbotszonen arbeiten. „Das ist eine Grauzone“, sagt Spallek. „Es wurden schon mehrfach Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet, die sind aber vom Gericht abgewiesen worden.“ Denn die Fotos in Kostümen seien „künstlerische Rahmenhandlung“, und dafür dürfen Spenden kassiert werden. „Erst wenn es aggressives Betteln ist, das in den Bereich der Nötigung fällt, können wir etwas machen“, sagt Spallek.

Man wird sich also an die neue Masche gewöhnen müssen. Auch Spallek sieht nur eine Lösung: kein Geld geben. „Wenn die nichts verdienen, gehen sie von alleine wieder.“ Sebastian Scholz

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