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Derzeit stellen Carola Humboldt und Gerald Rissmann ihre Bilder im Buchladen Primobuch in Steglitz aus

© Anett Kirchner

Kunst.Raum.Steglitz: Junger Verein stellt sich vor: Wie sehen Künstler den Bezirk?

Die Künstler vom Kunst.Raum.Steglitz kommen aus allen Bereichen - Musik, Malerei, Literatur, Fotografie. Ihr Ziel: Wahrnehmung und Bekanntheit im Kiez. Dafür setzen die Vereinsmitglieder schon auch mal "Kunst an die Luft". Ein Besuch.

Alles ist in Bewegung. Optisch und auch akustisch. Wusch! Autos rauschen vorbei, ein Bus, ein LkW, erst links, dann rechts. Irgendwo geht ein Licht an. Vielleicht in einem Büro? Das Licht wird wieder ausgeknipst. Eine kleine Menschengruppe bildet sich am Straßenrand und zerstreut sich wieder. Wolken am Firmament, von der Abendsonne rot gefärbt, ziehen schnell. Und Musik plärrt aus einem Autoradio. Es ist eine Szene aus einem Film, die die Schlossstraße in Steglitz zeigt. Alltag? Oder Kunst? Oder beides? Die Idee zu diesem Video hatte Stephani Bahlecke. Sie ist Aktionskünstlerin und gründete vor eineinhalb Jahren den Verein Kunst.Raum.Steglitz. Der Film soll Antwort auf die Frage geben: Wie sehen Künstler den Bezirk?

„Ich habe Steglitz bisher oft als langweilig und verschlafen empfunden“, sagt Gerald Rissmann, der hier aufgewachsen, zwar zwischenzeitlich 30 Jahre nicht in Berlin lebte, aber jetzt zurückgekehrt ist. Der ausgebildete Schauspieler und Tänzer arbeitet heute als Physiotherapeut und malt. Aktuell teilt er sich eine Ausstellung mit Carola Humboldt in dem Kunstraum der Buchhandlung Primobuch; veranstaltet vom Verein Kunst.Raum.Steglitz.

Dass der Verein Künstlern aus dem Kiez die Möglichkeit gibt, sich zu präsentieren, empfindet Gerald Rissmann als großes Glück. „Das bestärkt mich in meiner künstlerischen Arbeit.“ Denn viele Künstler in Steglitz seien gewissermaßen unsichtbar, arbeiteten vereinzelt in ihren Ateliers vor sich hin. „Das ist nicht zu vergleichen mit Kreuzberg oder Mitte, wo die Kunstszene vor allem äußerlich präsent ist“, erklärt Stephani Bahlecke, die seit 1979 in Steglitz wohnt, doch die Kunstszene in ganz Berlin kennt. Diese Tatsache sei letztlich ihre Motivation gewesen, eine Plattform zu schaffen, um den Künstlern vor Ort einen Austausch zu ermöglichen. Und die relativ rasch steigende Mitgliederzahl auf inzwischen 40 scheint ihr Recht zu geben. Sie kommen aus allen Bereichen - Musik, Malerei, Literatur, Fotografie oder Performances.

So hat der Verein im letzten Jahr etwa 40 Veranstaltungen auf die Beine gestellt; darunter Lesungen, Ausstellungen, Konzerte, Künstlergespräche und einen Poetry-Slam-Abend. Außerdem gibt es Kooperationen, etwa mit dem Kunsthaus Dahlem und der Achim-Freyer-Stiftung. Überdies werden gelegentlich Atelierbesuche organisiert. Kürzlich hatte die Malerin Dörte Lützel-Walz nach Lichterfelde eingeladen. Bei ihr bestimmt vor allem die Farbe ihre Bilder als gestaltendes Element. Sie malt abstrakt, gern großformatig und dann mit Farbschüttungen oder so genannten Farbverläufen.

Solche Atelierbesuche sind für Carola Humboldt besonders bereichernd. „Ich brauche den Austausch mit Künstlern, das inspiriert und beflügelt mich“, erklärt sie. Dabei entstünden oft Synergien; etwa wenn jemand eine Ausstellung eröffne und ein anderer für den musikalischen Rahmen sorge. Carola Humboldt, in Steglitz aufgewachsen, beschäftigt sich ebenfalls mit abstrakter Malerei, arbeitet zusätzlich aber auch im Bereich der Makro-Fotografie.

Werke von Carola Humboldt und Gerald Rissmann im Buchladen Primobuch

© Anett Kirchner

Seit Ende 2015 ist auch Sigrid Braun-Umbach Mitglied in dem Kunstverein. „Denn gemeinsame Aktionen mit anderen Künstlern machen mir großen Spaß“, sagt sie. Die gelernte Technische Zeichnerin und studierte Sozialpädagogin hat jahrelang als Dozentin an der Volkshochschule gearbeitet und nebenher immer gemalt. Seit 1982 stellt sie regelmäßig aus, unter anderem auf der kanarischen Insel Lanzarote, wo sie ein zweites Zuhause gefunden hat. Bekannt ist sie in Lichterfelde für ihre Treppenhaus-Galerie, zu der Künstler, Freunde und Nachbarn regelmäßig eingeladen werden. Bei dieser Gelegenheit erfuhr sie vom Kunst.Raum.Steglitz.

Was dem Verein besonders wichtig ist? Die Wahrnehmung und Bekanntheit im Kiez. Denn die Künstler wissen: „Wir haben es erst geschafft, wenn die Menschen sagen: ach, die schon wieder!“ Und um diesem Ziel näher zu kommen, organisierte der Verein unlängst einen Spaziergang durch Steglitz, frei nach dem Motto: Kunst an die Luft.

Es geht um das Bewegen, Zeigen, Lüften, Aufatmen

„Wir haben uns Kunstwerke geschnappt und sie durch die Straßen getragen“, schildert Christiane Burger, Fotografin. Bewegen, zeigen, lüften, aufatmen: darum sollte es gehen. Und man wollte mit den Menschen im Kiez ins Gespräch kommen, ihnen die Schwellenangst zur Kunst nehmen. Hat es funktioniert? „Na ja, wir haben uns eher untereinander unterhalten“, gibt Christiane Burger zu. Gleichwohl habe die Aktion aber das Wir-Gefühl gestärkt. Im Austausch könne sie ihre eigene Arbeit viel besser spiegeln. Denn bevor sie Mitglied in dem Kunstverein wurde, habe sie zum Beispiel nie über eine eigene Ausstellung nachgedacht. Jetzt schon. Christiane Burger fotografiert vor allem Rost.

Was dem Verein im Moment fehlt? Eigene Räume. „Schön wäre eine alte Villa“, sagt Stephani Bahlecke, allerdings mit einem Augenzwinkern. Sein erstes, festes Domizil in der Markelstraße in Steglitz musste der Verein aufgeben. Jetzt nutzt er abwechselnd die Räume seiner Kooperationspartner oder bespielt wahlweise geheimnisvolle Orte im öffentlichen „Kunstraum Steglitz“, wie etwa im vergangenen Jahr, als im Rahmen einer Kunstaktion kurzfristig der Franz-Amrehn-Platz begrünt wurde. Es könnte demnach gut möglich sein, dass man den Künstlern im Kunst.Raum.Steglitz spontan begegnet. Vielleicht lohnt es sich also, aufmerksam zu sein.

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