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Rundfunkchor Berlin

© Rundfunkchor Berlin Matthias Heyde

Blog zum Musikfest Berlin (14): Der Klang der Gemeinschaft

Chöre stehen meist im Schatten der Solisten oder der Orchester. Dabei galt der Gesang im Barock als Krone der Musik. Braucht Berlin neben dem Musikfest ein eigenes Chorfest?

Ist nun der Gesang oder der Gebrauch eines Instrumentes die bessere oder natürlichere Form musikalischen Ausdrucks? Die Meinungen darüber haben sich im Laufe der Geschichte immer wieder verändert. Gebührte im Barock der Gesang die Krone der Musik - alles andere war Nachahmung -, empfand man zu Zeiten der Ästhetik eines "absoluten" Kunstwerkes die Instrumentalmusik als das Ideal von Komponisten und Rezipienten. Singen ist sicher eine sehr ursprüngliche Äußerung des Menschen – zeitgleich oder vielleicht sogar vor der Sprache entstanden.

Aber auch das instrumentale Musizieren gab es schon in archaischen Zeiten, uralte Instrumentenfunde und auch bildliche Darstellungen zeugen davon. Einen wesentlichen Unterschied gibt es freilich – beim Singen ist der menschliche Körper selbst das Instrument, im anderen Fall bedient man sich eines oft kunstvoll hergestellten Gegenstandes. Jedenfalls haben Vokal- und Instrumentalmusik in der Musikwelt beide Ihren Platz und so liegt es nahe, beim Musikfest auch den Berliner Profichören ein Podium zu verschaffen.

Berlin ist ja mindestens ebenso eine Chorstadt wie eine Orchesterstadt. Die Bundeshauptstadt hat eine besondere Tradition der Konzertchöre, vom 1465 gegründeten Staats- und Domchor bis zu aktuellen Neugründungen. Der Berliner Chorverband zählt über 240 Chöre mit mehr als 10.000 aktiven Sängerinnen und Sängern. Und eben auch im Profibereich gibt es neben den drei Opernchören eben die beiden Konzertchöre, die ein sehr verschiedenes künstlerisches Profil herausgearbeitet haben und in ihrer Art beide zur Weltspitze gehören.

Sicht- und hörbar wurde das nun am vergangenen Wochenende, an dem der RIAS-Kammerchor im Verbund mit dem Ensemble Musikfabrik für das zwar längste aber auch kurzweiligste Konzert des Festes sorgte – ein überaus gelungener Saisonauftakt des Vokalensembles, das sich ebenso mit zeitgenössischer Musik wie a-Capella-Gesang und auch Opernpoduktionen beispielsweise mit René Jacobs profiliert. Der RIAS-Kammerchor ist – neben einer Vielzahl preisgekrönter Aufnahmen – auf Tournee ein wichtiger Botschafter Berlins und hierzulande als Veranstalter ein wichtiges Bindeglied in die freie Musikszene, er arbeitet mit Spitzenensembles der alten und zeitgenössischen Musik und fällt immer wieder durch seine originelle Programmgestaltung auf.

Die große Chorsymphonik und natürlich die großen geistlichen Chorwerke gehören ins Repertoire des Rundfunkchores, der – gerade frisch von einer „Götterdämmerung“ aus Luzern zurückgekehrt – sich nun unter Daniel Barenboims Leitung den „Quattro pezzi sacri“ von Verdi zuwendete und dabei wieder einmal mit großartigem Klang und ausgefeilter Dynamik begeisterte.

Mit seinen besonderen Projekten vom „Leader-Chor“ bis zum alljährlichen Mitsingkonzert hat der Rundfunkchor es geschafft, Chorgesang in der Mitte der Gesellschaft zu platzieren, so erfolgreich, dass diese Ideen inzwischen bis hin nach Istanbul exportiert werden. Ich hatte das Vergnügen, bei einem der ersten Mitsingkonzerte im Abonnentenorchester des DSO Celesta zu spielen und es war einfach grandios zu erleben, wie dann mehr als 1.000 Stimmen in der Philharmonie „Carmina Burana“ mitsangen.

Es ist schwer zu sagen, warum Chöre dann doch meist im Schatten der Orchester stehen wo es ja bei den Solistinnen und Solisten meist umgekehrt ist – eine Anna Netrebko oder die drei Tenöre doch mehr im Rampenlicht stehen als Geiger oder Pianisten. Vielleicht sind die Chöre und ihre Protagonisten zu bescheiden, eher in der Gruppensolidarität verhaftet als im Geltungsrang des Individuums. Wie dem auch sei: Vielleicht täte es Berlin gut, hier einmal die Kräfte zu bündeln und ein richtiges Chorfest auf die Beine zu stellen - das Potential wäre da.

Andreas Richter

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