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Fahrbericht Cadillac CTS: Ami-Exot mit Opel-Motor

Optik? Eins! Der Cadillac CTS kämpft mit opulentem Design gegen die übermächtige Konkurrenz in Deutschland - und bedient sich dabei auch reichlich bei einem Konzernbruder.

Das muss man den Amis lassen. Die 112 Jahre alte Marke Cadillac gibt nicht auf und schickt die nunmehr dritte Generation seiner Nobelkarosse CTS ins europäische Rennen gegen die schier übermächtigen Audi A6, BMW Fünfer und Mercedes E-Klasse ins nächste europäische Rennen. Der erste CTS startete übrigens vor 12 Jahren, damals hierzulande unbeobachtet. Das soll nun anders werden, meinen die Cadillac-Leute und hoffen, mehr als die nur 138 Autos bei den bislang acht deutschen Händlern verkaufen zu können.

Ginge es nur nach der Optik, könnte das Vorhaben gelingen. Der 4,97 Meter lange kantige CTS mit seinen vertikalen Leuchten fällt auf. Ein Raumwunder ist er aber nicht. Die 2,91 Meter Radstand versprechen zwar großzügige Platzverhältnisse, im Fond wird man jedoch enttäuscht. Da bietet ein sechs Zentimeter kürzerer Fünfer BMW mehr. Und 447 Liter Kofferraum sind in dieser Klasse auch recht wenig. Der Fünfer-BMW hat immerhin 520 Liter zu bieten.

Verwöhnaroma bei der Federung

Dennoch wurde viel in den Neuen investiert. Gegenüber dem Vorgänger hat der jetzige CTS um 128 Kilogramm abgespeckt und wiegt nun 1640 kg. Immerhin 45 Kilogramm weniger als der Fünfer-BMW. Im Eifer, auch innen auf Premium zu machen, sind die Amis allerdings etwas über das deutsche Geschmacksempfinden hinaus geschossen. Der Innenraum wirkt wie eine fahrbare funkelnde Play Station; bis zu sieben unterschiedliche Materialien im Cockpit sind auch nicht jedermanns Sache. Dafür ist das verbaute Mahagoni echt, ebenso wie Magnesium und schwarze Olivesche. Und die serienmäßigen 20fach verstellbaren Vordersitze sind topp.

Verwöhnaroma strahlt auch die serienmäßige aufwendige Federung des CTS aus. Das adaptive Magnetic-Ride-Fahrwerk passt die Federung blitzschnell an Fahrbahnunebenheiten an. Bodenwellen bügelt der Ami gekonnt weg, in Kurven wankt er kaum. Die neue Servolenkung (vom deutschen Spezialisten ZF) agiert direkt – es macht richtig Spaß, mit diesem Fünf-Meter-Schiff zu fahren. Das ist bestes deutsches Niveau. Perfekt wäre der Ami, wenn er unter der Haube einen anderen Motor hätte.Cadillac? Da denkt jeder sofort an V8. Doch der neue CTS besitzt einen Zweilliter-Vierzylinder, den man aus dem Opel Insignia kennt. Im Ami leistet er 276 PS und bringt es auf stramme 400 Newtonmeter zwischen 3000 und 4500 Touren. Serie ist eine Sechsstufenautomatik.

So richtig scheinen sich beide nicht zu verstehen. Bei Kickdown klingt der aufheulende Vierzylinder schwer angestrengt. Sportliche Gefühle wollen da nicht aufkommen. Im Sportmodus wird es besser, aber auch nicht überzeugend. Kein Vergleich zur famosen Achtgang-Automatik von BMW, die auch von ZF stammt. Und der Verbrauch? Laut Datenblatt 8,5 Liter. Laut Bordcomputer 13,4 Liter – bei ziviler Fahrweise inklusive einem kleinen Autobahnabstecher. Zu viel.

Premium-Preise

Bei den Preisen zeigen sich die Amis sehr selbstbewusst: 49900 Euro kostet der günstigste CTS, das Modell Elegance mit 276 PS und Hinterradantrieb. Zum Vergleich: Ein BMW 528i mit 245 PS unter Hinterradantrieb, aber besseren Fahrleistungen, ist bereits ab 45800 Euro zu haben. Der teuerste Cadillac CTS mit gleichem Motor, aber in Premium-Version und Allradantrieb, kostet schon 59850 Euro.

Dafür ist dann aller Komfort an Bord. Nur nicht ein Start-Stopp-System, eine zwar elektrisch öffnende, aber nicht elektrisch auch schließende Heckklappe sowie Fahrassistenzsysteme, die nicht wie bei den Deutschen reagieren und agieren, sondern beim Ami nur warnen. Und zwar auf ganz spezielle Weise: Zum nahe am Seitenstreifen? Zu nahe am Vordermann? Zu nahe an der Hauswand beim Einparken? Stets trommelt der Sitz dem Fahrer kräftig in den Allerwertesten; mal links, mal rechts. Das nervt!

Was bleibt? Ein zwiespältiger Eindruck. Optik Eins. Technik Drei minus. Wer den auffälligen Auftritt liebt, wird diesen neuen Ami lieben. Wer hingegen auch hochwertige Technik liebt, wird am neuen CTS vorbeigehen. Die dritte Generation dieses Cadillac ist zwar schon viel besser als vorher, aber noch lange nicht auf Augenhöhe mit den Deutschen. Und wie geht es weiter? Chevrolet, die Billigmarke von General Motors muss sich dieses Jahr aus Europa zurückziehen, um der GM-Tochter Opel hier mehr Luft zu verschaffen. Doch was wird aus den Chevrolet-Ikonen Corvette und Camaro? Da sind die Amis wieder pragmatisch. Diese Modelle, die übrigens viel Geld in die Kasse spülen, werden einfach bei den wenigen Cadillac-Händlern mit verkauft – nur ohne den Firmenzusatz Chevrolet.

Cadillac und Opel geben und nehmen

Dafür kommen neue Cadillac-Modelle. Das ATS Coupé, als Konkurrent des BMW Dreier Coupés startet im Herbst. Ende des Jahres folgt das neue XXL-SUV Escalade. Autos, die zumindest für Extrovertierte mit Geld eine Alternative darstellen können. Frei nach dem Motto: Auffallen ist alles. Nächstes Jahr soll bei den Fahrassistenzsystemen aufgerüstet werden. Und beim Antrieb? Auf längere Sicht werden die Amis in Europa nicht am Dieselmotor vorbeikommen, wollen sie wirklich ernsthaft und langfristig Erfolg haben. Der Selbstzünder sei schon in Arbeit, heißt es intern.

Und Cadillac-Chef Dr. Thomas Sedran wird auf Nachfrage doch noch etwas genauer: In drei Jahren könne es so weit sein. Ein aktueller Opel-Motor werde es dann jedoch nicht sein. Die Cadillacs haben Hinterradantrieb, und da passt das derzeitige Layout der Opel-Selbstzünder nicht, denn die sind speziell für Vorderradantrieb ausgelegt. Doch Opel wird letztlich doch irgendwie Schützenhilfe bei der Entwicklung des neuen Cadillac-Diesel leisten. So viel „Geben und Nehmen“ muss unter Brüdern und Schwestern schon sein.

Die Amis lassen nichts unversucht, mehr Autos zu verkaufen und wollen neue Wege beim Vertrieb gehen. In der Schweiz arbeitet Cadillac bereits mit dem umstrittenen amerikanischen Limousinenservice Uber zusammen, über den Probefahrten per Smartphone App gebucht werden können. In Berlin ist Uber verboten, doch Cadillac plant, ähnlich wie in der Schweiz, auch in Deutschland per Uber App Probefahrten anzubieten. Da ist noch nichts entschieden. Seriös hingegen ist, dass das Autohaus Kramm GmbH als Cadillac-Vertriebspartner gewonnen werden konnte, um einen Fuß in die Hauptstadt zu bekommen.

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