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Aus der Zeit gefallen: Hemdenträger Michael Preetz.

© dapd

Hertha vor dem Abstieg: Der erschöpfte Klub

Hertha taumelt kraft- und willenlos der Zweiten Liga entgegen – die Fans fühlen keine Hoffnung mehr. "Ich bin maßlos enttäuscht von der Mannschaft", sagt sogar Manager Michael Preetz.

Michael Preetz legt großen Wert auf sein Äußeres. Für diesen Samstagnachmittag und das vorentscheidende Bundesligaspiel gegen Kaiserslautern hat sich Herthas Manager für ein blau-weiß gestreiftes Hemd mit weißem Kragen entschieden. Solche Art Hemden kennt man sonst noch vom früheren deutschen Sportfunktionär Manfred von Richthofen und Westberlins Altplayboy Rolf Eden. Vergessene Gesichter, möchte man meinen, über die die Moderne hinweggezogen ist. Auch Michael Preetz wirkt nach dem Spiel und einer peinlichen Niederlage irgendwie aus der Zeit gefallen. Vor den Fernsehkameras hat er das Debakel gegen den Absteiger zu erklären. Das ist nicht irgendeine Niederlage der Berliner, das ist so etwas wie der gefühlte Abstieg.

An dem 44-Jährigen hängen die Schultern schlaff herab, mal steckt er seine Hände tief in die Hosentaschen, seine Augen sind den Tränen nahe. Während der Pressekonferenz, die er dann stehend an eine Seitenwand gelehnt verfolgt, hat er seine langen Arme vor dem Bauch verschränkt. Es wirkt, als würde er sich selbst festhalten. Dann sagt er einen Satz, der so gar nicht in die vergangenen Wochen passen will: „Ich bin maßlos enttäuscht von der Mannschaft.“

Bisher hat Preetz allen Entwicklungen zum Trotz die blau-weiße Fahne hochgehalten, er hat in jedem noch so enttäuschenden Spiel und Ergebnis seiner Mannschaft etwas Positives gefunden. Auch als die Mannschaft nach dem soundsovielten Trainerwechsel in dieser Spielzeit immer weiter durch die Tabelle fiel bis fast an ihr Ende, hat Preetz – mittlerweile wohl auch im eigenen Interesse – an der Richtigkeit seiner letzten Trainereinstellung, der Reaktivierung des Ruheständlers Otto Rehhagel, und somit an den Erfolg der Mission Klassenerhalt geglaubt. „Die Mannschaft lebt, sie ist intakt“, hatte er vor dem Spiel gesagt. Das Spiel hat das Gegenteil bewiesen.

Sie hat ein jämmerliches Bild abgegeben gegen eine Mannschaft, die 21 Spiele lang auf einen Sieg warten musste, die faktisch als Absteiger feststand, die aber an diesem Nachmittag gut und gerne fünf oder sechs Tore hätte schießen können, so leicht hatte es ihr der Gastgeber gemacht. Und Preetz, der das Unheil wie immer von seinem Platz auf der Trainerbank miterlebte, sagte plötzlich: „So wie wir heute gespielt haben, haben wir keine Chance. So holen wir keinen Punkt mehr.“

Hertha spielte tranig und träge. Selbst in einer kurzen Phase Mitte der ersten Halbzeit, als die Berliner ein paar Mal bis vor das gegnerische Tor kamen, gelang ihnen nicht ein einziger Abschluss. Das, was die Mannschaft gegen Kaiserslautern bot, war die Höhe, die Höhe einer an Tiefpunkten so reichhaltigen Saisonrückrunde. Nach einem derart leidenschaftslosen Auftritt hat der Klub nichts mehr in der höchsten Spielklasse zu suchen. Sprachlos schlichen die Spieler vom Feld. Sie wirkten leer und müde, so ganz ohne Aussicht. Sie sind erschöpft.

Erschöpft von Wochen und Monaten eines zermürbenden Kampfes gegen den Abstieg, der viel zu spät angenommen worden war. Erschöpft auch von den Durchhalteparolen und den Binsen ihres Trainers. Hinterher sagte Rehhagel: „Ich will niemandem unterstellen, dass er nicht wollte.“ Er muss wohl auch den Eindruck gehabt haben, dass es streckenweise genau danach ausgesehen hat. „Abstiegskampf bedeutet Druck“, hatte neulich Mittelfeldspieler Peter Niemeyer erzählt. „Aber einen so langen Abstiegskampf habe ich noch nie erlebt.“

Und auch die Fans des Klubs sind scheinbar am Ende ihrer Kräfte. Erneut war eine stattliche Kulisse zusammengekommen. Mehr als 50.000 im Olympiastadion. Mit welcher Gleichmut sie mitansahen, wie sich ihre Mannschaft ins Verderben kickte. Während die Fans noch beim ersten Abstieg vor zwei Jahren ihre Enttäuschung und ihre Wut laut und offen im Rang auslebten, ja einige von ihnen sogar den Stadioninnenraum stürmten, so sprach nun aus ihren Gesichtern Entsetzen und Leere. Die wenigsten von ihnen dürften noch so etwas wie Hoffnung fühlen. Es scheint auch keine Rolle mehr zu spielen, ob Hertha doch noch irgendwie die Klasse hält. Für den Großteil von ihnen ist der zweite Abstieg in drei Jahren amtlich. Geheult und getrauert haben sie schon viel früher, nicht erst am Samstag gegen Kaiserslautern.

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