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Brauner Bärs Brüder: Warum es ständig neue Eissorten gibt

Eisliebhaber finden im Handel mehr als 150 Sorten. Weil das Geschäft rückläufig ist, erfinden die Hersteller permanent neue Varianten.

Von Maris Hubschmid

Ist es Kandidat eins, der attraktive Blonde mit dem Hang zum Luxus? Kandidat zwei, der dir gern seinen weichen Kern zeigen würde? Oder Kandidat drei, auf den du dich immer verlassen kannst? Wer vor der Kühltruhe steht, muss sich entscheiden. Denn die Auswahl an Speiseeis ist enorm: Allein neun Sorten Magnum sind derzeit im Handel, mit Mandelhülle, Joghurtfüllung oder Browniestückchen. Tatsächlich kann und will es sich kein Unternehmen leisten, eine Saison lang kein neues Produkt auf den Markt zu werfen.

Langnese hat in diesem Jahr acht neue Produkte im Sortiment. Darunter Variationen bekannter Artikel wie das Cornetto Freestyle mit karamellisierten Pecannüssen in der Waffel und das gänzlich neue X-Pop, ein Wassereis mit Brausespitze. Nestlé Schöller hat sein Schokoladeneis Macao um die Sorten Himbeer-Sahne und Rum-Rosine ergänzt. Und will mit dem „Big Nucki Vanilla“ die „wahrscheinlich größte Eistüte aller Zeiten“ geschaffen haben.

Kaum irgendwo sind die Innovationen so zahlreich, vielfältig und kurzlebig wie im Speiseeissegment. Am Ende einer jeden Saison wird bis zu ein Drittel der Produkte ausgetauscht. Mehr als 150 verschiedene Kleinpackungen Eis sind derzeit erhältlich, heißt es beim Verband der deutschen Markeneishersteller, dem Eis Info Service - kurz E.I.S.

Eiskäufer haben weniger Hemmungen, Neues zu versuchen

Am beliebtesten ist nach wie vor das tatsächliche „Eis am Stiel“. Dennoch kommen immerhin 45 Prozent allen auf die Hand verkauften Eises ohne daher. Mittlerweile gibt es zahlreiche andere Formen: Tüteneis oder Sandwicheis, Eis als Riegel, Eis aus der Tube, Eis in Dosen, das aus winzigen Kügelchen besteht.

„Impulseis“ wird das Kiosk-Eis in Fachkreisen genannt, weil der Käufer sich in der Regel spontan zum Kauf entschließt. Ein entscheidender Unterschied zu den Haushaltspackungen, die häufig schon auf dem Einkaufszettel stehen. „Wer ein Eis auf die Hand kauft, trägt das Risiko, dass es nicht schmeckt, nur für sich allein“, sagt Ulrike Singer von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Deshalb hätte der Eiskäufer weniger Hemmungen, etwas Neues zu versuchen. Überzeugt das Eis nicht, kauft er beim nächsten Mal eben ein anderes. Er sieht sich aber nicht mit etwaigen Vorwürfen enttäuschter Familienangehöriger konfrontiert.

Diese Chance setzt die Firmen aber auch unter Druck: „Mindestens ein Jahr lang wird entworfen, befragt, getestet“, sagt Stefan Reicherstorfer, Leiter der Entwicklungsabteilung von Langnese. Name und Erscheinungsbild sind dabei mindestens so wichtig wie das eigentliche Eis. Der Braune Bär etwa wäre ohne den Zeichentrickindianer, den man ihm an die Seite gestellt hat, wohl nie zum Kultprodukt avanciert, sagen Werbepsychologen. Als Wild-West-Eis traf er den Nerv der 70er-Jahre-Kinder, die Bonanza sahen und Winnetou nacheiferten. „Wie lange ein Eis im Sortiment bleibt, ist sehr unterschiedlich und hängt vom Absatz ab“, sagt Reicherstorfer. Das neue Cornetto Freestyle etwa verschwindet nach der Saison bereits wieder. Das 2010 als limitierte Edition eingeführte Magnum Gold mit echten Goldpartikeln hingegen fand genug Zuspruch und durfte bleiben.

Das Unbekannte macht ein Eis reizvoll

„Bestimmte Menschen wollen immer das Neuste haben. Das Unbekannte macht ein Eis für sie reizvoll, ein zweites Mal kaufen sie es nicht, selbst, wenn es geschmeckt hat“, sagt Singer von der GfK. Viele andere Konsumenten probierten neue Produkte gar nicht erst. Entsprechend schwierig sei es deshalb für ein Eis, sich zu etablieren.

Womöglich geht es den Herstellern aber auch gar nicht darum. Wegen leicht rückläufiger Gesamtabsatzzahlen ist der Markt hart umkämpft. Immer wichtiger wird es also, die Aufmerksamkeit der Kunden zu gewinnen.

Mehr als 40 Magnum-Varianten hat es in Deutschland schon gegeben. „Natürlich möchten wir, dass die Marke im Gespräch bleibt“, sagt der Langnese-Entwickler. Vielleicht aber auch deshalb: „Jedes Neuprodukt ist ein Indiz für die Kompetenz der Firma, die es hergestellt hat“, meint Konsumforscherin Singer. „Es signalisiert: Guck mal, wir haben uns damit beschäftigt, was dir noch fehlt und richtig lecker ist.“ Gerade die Markeneishersteller, bestätigt der Eisverband, stehen da beim Verbraucher in der Pflicht.

Was aber will der? Grundsätzlich läuft Milcheis besser als Wassereis, Creme-Kompositionen mit Früchten stehen hoch im Kurs. Es gibt aber auch eine Entwicklung hin zu mehr Premium-Produkten mit herkunftsbewussten Zutaten, teilt der Verband mit: Eis mit Kakao aus Ecuador, Eis mit Mascarpone.

Oftmals sind die Kugeleisverkäufer Trendsetter

Dies gilt auch für gewerblich gefertigtes Eis. „Man muss Exklusivität bieten“, sagt Olaf Höhn, Geschäftsführer der Berliner Eiskette Florida Eis. Oftmals sind die Kugeleisverkäufer Trendsetter: Sie können vergleichsweise leicht herumexperimentieren, erproben, was ankommt – und müssen nicht eigens neue Maschinen anschaffen.

Bemerkenswert bei all dem: Ob in Höhns Theke oder am Kiosk, die Verkaufsschlager sind nach wie vor Schokolade, Vanille, Erdbeer und Nuss. Der Eisgeschmack der Deutschen, das haben Studien in den vergangenen Jahren immer wieder erwiesen, ist konservativ. 60 bis 70 Prozent ihres Umsatzes erzielen die Hersteller mit den vertrauten Klassikern, also Kandidat drei. Bei Nestlé Schöller ist das eigenen Angaben zufolge das „Big Sandwich“, das es schon seit 55 Jahren gibt. Langnese punktet damals wie heute mit Nogger und Ed von Schleck.

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