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Thomas Gottschalk und "Wetten, dass..?"-Erfinder Frank Elstner.

© picture alliance / Hermann Wöstm

Abschied von "Wetten,dass..?": Couch, Gottschalk, Kult – genug

Am Samstag ist es endgültig vorbei. Werden Sie „Wetten, dass..?“ vermissen? Sieben Prominente schreiben zum Ende der ZDF-Show nach 215 Ausgaben und fast 34 Sendejahren.

Platzende Wärmflaschen

Wetten, dass auch Sie sich an gute alte Fernsehzeiten Ihrer Kindheitsjahre erinnern? Sonnabend, kurz nach acht Uhr abends, frisch gebadet in Frotteeschlafanzug und Bademantel auf der Couch, ausnahmsweise länger aufbleiben.

Ich verbinde damit „Einer wird gewinnen“. Kuli war mein König. Für Generationen von Zuschauerinnen und Zuschauern war es „Wetten, dass..?“ – jene Show, die unseren Blick auf schweres Gerät wie Bagger, Gabelstapler oder Lastkraftwagen grundlegend verändert hat.

Auch mich führte der Start dieser Sendung in eine neue Sonnabend-Couch-Zeit. Mein erstes Kind war nämlich geboren. Im somnambulen Wechselzustand zwischen Gerade-wach und Fast-wieder-eingeschlafen war ich dankbar für inzwischen legendäre Wetten wie die zum Platzen gebrachte Wärmflasche. Und habe mich jedes Mal gefreut, wenn es zu vorgerückter Stunde aus dem Mund von Sendungserfinder und Moderator Frank Elstner hieß: Wir überziehen. Ich überzog nämlich auch. Meine Reserven. Mit Säugling im Arm. Erleichtert, wenn keine Wärmflasche platzte.

Dagmar Reim ist Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg

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Gefühl der Gemeinsamkeit

Vermissen Sie „Wetten, dass..?“ Diese Frage beantworte ich Ende nächsten Jahres. Bei TV-Legenden ist es ja wie im wahren Leben: Ob wir etwas vermissen, zeigt sich erst, wenn wir längere Zeit darauf verzichten mussten. Ich glaube jedoch, der ZDF-Klassiker hat da schlechte Karten, gibt es doch keine einzige Sendung (mehr) im deutschen Fernsehen, die „Lagerfeuer-Charakter“ hat. Auch hier hat die Bibel recht: „Alles hat seine Zeit!“

Nicht dass „Wetten, dass..?“ jetzt eingestellt wird, sondern dass es sich so lange gehalten hat, ist die Sensation. Denn wo sonst saß die ganze Familie beieinander? Dieses Gefühl der Gemeinsamkeit werde ich vermissen. Die Sendung gehörte zum Leben wie die Jahreszeiten. Beständigkeit und Treue – egal, ob in Politik, privatem Leben oder eben Show – sind Werte, die wir zu schätzen verlernt haben. Dasselbe gilt für die Kunst, loslassen zu können. In diesem Spagat ist das Ende dieser tollen Sendung, die uns immer einen einfach nur schönen Abend ohne die Betroffenheitslyrik eines Grauschleier-Journalismus geschenkt hat, richtig.

„Wetten, dass..?“ war Kult, die Kultur eines würdigen Abschieds ohne Nachtreten, ohne Spott und Häme, auch gegen Moderatoren, wäre ein Zeichen von Größe und Dankbarkeit.

Peter Hahne moderiert die gleichnamige ZDF-Talkshow am Sonntag

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Eine gute Idee bleibt eine gute Idee

Was werde ich an „Wetten dass..?“ vermissen? Nicht die Kalauer von Markus Lanz. Auch nicht das Lagerfeuergefühl in Zeiten von Frank Elstner. Da gibt es zum Glück schönere Kindheitserinnerungen. Aber: Das Ende von „Wetten dass..?“ ist der letzte Abschied von der Einfachheit der Welt. Und das stimmt wehmütig. 23 Millionen Zuschauer schauten die Ausgabe am 9. Februar 1985. Da waren RTL und Sat 1 erst ein Jahr auf Sendung. Immerhin noch 18 Millionen waren es bei Michael Jacksons Auftritt im Jahr 1995. Da hatte ich gerade meinen ersten Internetanschluss.

Seitdem rast die Welt und alles wird immer komplizierter. Für Haribo waren die Bärchen auf dem Tresen und Gottschalk in den TV-Spots eine Verkaufsgarantie. Heute muss der Bonbonhersteller über Facebook mit seiner „mobile-App-Spiel und Freude mit nützlichen Mehrwerten für den Alltag auf iOS, Android und Windows“ versprechen, um Süßes zu verkaufen. Die junge Zielgruppe guckt mehr Youtube als Fernsehen, liest mehr Smartphone als Zeitung. Statt drei Kanälen müssen Medienmacher und Werbetreibende heute 300 kennen und bespielen. Was man aber dennoch auch heute von „Wetten dass..?“ lernen kann: Eine gute Idee bleibt eine gute Idee. Dinosaurier sind zwar ausgestorben. Aber sie verkaufen sich immer noch ziemlich gut.

Stefan Wegner ist Geschäftsführer von Scholz & Friends

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Katzenmützen-Fernsehen

Im Zeitalter wechselnder Beziehungen war „Wetten, dass..?“ noch lange eine Art Beschwörung der intakten Lebensgemeinschaft. Beinahe hätte ich beim regelmäßigen Schauen der Sendung Salzstangen, eh Gummibärchen und Erdbeerbowle auf den Couchtisch gestellt. Und um ein Haar in Erinnerung an mein Elternhaus für DEN Ritus sogar eine eigene Familie gegründet.

Aber dann, uff, kamen die „Spielverderber“. Immer mehr konkurrierende Programme. Das Internet. Schließlich der Unfall. Für den schon sendungsmüden Thomas Gottschalk eher Anlass als Grund aufzuhören. Auch wenn er gerade in dieser Situation seine professionelle Meisterschaft zeigte.

Redaktion, Sender und Markus Lanz hatten danach kaum noch eine Chance. „Wetten, dass..?“ war Gottschalk gewesen. Und Gottschalk übrigens auch „Wetten, dass..?“. Die eh nicht vorhandene Chance wurde zu allem Überfluss nicht nur nicht genutzt, sondern auch noch gründlich versemmelt. Dem eigentlich guten Moderator Markus Lanz fehlte das Rampensau-Gen seines Vorgängers. Er ersetzte es durch zunehmend verzweifelte Karteikartenfröhlichkeit. Die Redaktion verwechselte Trash-Kultur à la Geissens mit Jugendnähe. Und die immer gewogene Begleitpresse verwandelte sich in Shit-Storm-Kampagnen. Deren Stil war daneben. Die Klage war es nicht.

Zum Schluss hatte ich mich mit der Sendung so alt gefühlt, wie ich wirklich bin. Ganz schlimm ist, dass Tom Hanks vor meinem inneren Auge nur noch mit Katzenmütze erscheint. Wie eine ungeliebte Melodie, die einem nicht mehr aus dem Kopf geht. Da schalte ich doch lieber „Mein bester Feind“ ein. Oder sehe auf Youtube eine Uralt-Folge mit David Bowie oder Madonnas „Frozen“. So! will und werde ich „Wetten, dass..?“ erinnern.

Jo Groebel leitet das Deutsche Digital Institut Berlin

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Nach Frank Elstner ging es bergab

„Wetten dass..?“ vermissen? Nein, werde ich nicht. Die Sendung ist schon lange aus meinem Radar verschwunden. Obwohl – oder gerade weil – ich ein Entertainment-Junkie bin. Obwohl – oder gerade weil – ich als frühere Fernsehmacherin viel mit dem ZDF zusammengearbeitet habe, auch mit Thomas Gottschalk und Markus Lanz. Beide nutzten „Wetten, dass..?“, um ihre Position als geniale Selbstdarsteller in der deutschen Unterhaltungs-Landschaft zu festigen. Wenn es nur noch die Frisur des Moderators ist, die Schlagzeilen macht, oder das neue Sofa oder die sinkende Quote oder das reine Namedropping der Hollywoodstars, die in der Sendung Eigenwerbung machten, dann ist es kein Wunder, wenn immer mehr Zuschauer wegblieben.

Mich hat „Wetten, dass..?“ nach Frank Elstner, dem Erfinder der Show, der sie souverän und uneitel leitete, und der das Spielerische in den Vordergrund rückte, einfach nicht mehr interessiert.

Da ist ein gutes Showkonzept ausgelutscht worden bis zum Niedergang. Keine Meisterleistung des Senders. Kein Verlust für den Zuschauer, wenn Sie mich fragen. Ob das ZDF was Neues in der Tasche hat? Mein Tipp für die Primetime am Samstagabend: Filmklassiker wie „Casablanca“ oder „Vom Winde verweht“. Da würde ich mich auch mal wieder vor die Glotze setzen.

Beate Wedekind ist Journalistin und Gründerin von thenewafrica.info

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ZDF stellt zu früh ein

„Wetten, dass..?“ war der kleinste gemeinsame Nenner der Fernsehunterhaltung, eine Wundertüte. Fehlen wird mir die Sendung trotzdem nicht, allerdings nicht, weil ich sie schlecht finde. Ich glaube nur, „Wetten, dass..?“ verlangt dem Zuschauer sehr viel Durchhaltevermögen vor dem Fernseher ab. Das merke ich auch an mir selbst. Geschaut habe ich die Sendung vor allem früher mit meinen Eltern, wobei für mich die Wetten und die Gespräche nebensächlich waren. Am spannendsten fand ich die Auftritte der Stars – „Wetten, dass..?“ hatte eben Take That oder Michael Jackson auf der Bühne. Die Show war sozusagen mein MTV– und Youtube-Ersatz. Das kann sie heute natürlich nicht mehr leisten. Trotzdem glaube ich, dass das ZDF „Wetten, dass..?“ zu früh einstellt. Die Sendung ist immer noch verdammt erfolgreich und hat super Quoten. Die Erfolge von „Wetten, dass..?“ soll erst mal einer nachmachen.

Michael Praetorius ist Publizist und Berater für Digitalstrategien

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Die Sehnsucht nach "Wetten, dass..?" war irgendwann einfach weg

Das Fernsehen ist, in seinen besten Momenten, nicht nur eine Sehnsuchtsmaschine, sondern auch eine Erinnerungsmaschine. Die Sache mit der Sehnsucht hat sich bei „Wetten, dass...?“ vor einiger Zeit erledigt, sie war einfach irgendwann weg. Was blieb, war die Erinnerung daran, wie groß und aufregend und spannend und irre das deutsche Fernsehen an einem Samstagabend einmal war, einmal sein konnte. Und wenn man in den vergangenen Jahren „Wetten, dass...?“ geschaut hat, dann suchte man in den Shows nach Erinnerungspartikeln, nach etwas, das einem bekannt vorkam, weil es einmal neu war. Es wurden immer weniger Partikel, die Erinnerungen verblassten, die Menschen schalteten nicht mehr ein – und zwar aus diesem Grund.

Heute also ein letzter Versuch. Und um 23 Uhr dann wahrscheinlich die Erkenntnis, dass das Fernsehen, wie es einmal war, als es neu und aufregend war, schon lange vorbei ist. Aber das, was „Wetten, dass...?“ mit dem Fernsehen angerichtet hat, im Guten wie zuletzt im Schlechten, das wird noch sehr lange im kollektiven Bewusstsein der Zuschauer nachwirken. Und alles, was die Sendung ersetzen wird, wird sich damit messen lassen müssen. Aber Jan Böhmermann wird das schon schaffen.

Matthias Kalle ist Fernsehkritiker

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