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Medien: „Affenschlaffenland“

Die Augsburger Puppenkiste kommt bei den Kids von heute an

Von Andreas Austilat

Was macht man, wenn ein Känguru sich erschreckt, wenn es einfach stocksteif in der Luft hängen bleibt? Da hilft nur leises Warten, sagt der Kakadu. Also warten wir, meine Tochter Katharina und ich, warten stumm gute 20 Sekunden lang. 20 Sekunden, in denen eigentlich nichts passiert, sind im Fernsehen eine verdammt lange Zeit. In solchen Momenten merkt man erst, wie alt die Augsburger Puppenkiste geworden ist.

„Die vergessene Tür“, am Donnerstag im Kinderkanal gesendet, ist von 1985. Das ist auch schon fast 20 Jahre her. Die Kleine aber ist erst sechs. Und hat trotzdem schon allerhand gesehen. In den Filmen, die sie so kennt, in „Ice Age“, „Monster AG“ oder „Shrek“ wird nicht lang gewartet. Da folgt Gag auf Gag. Da schlenkert keiner mehr ungelenk an seinen Strippen herum, spielt im Hintergrund keine Kapelle, und wenn ein See mal Wellen wirft, dann knittert keine Plastikfolie.

Unsereins war ja auch mal jung. Ist eine überschaubare Zeit gewesen. Bauknecht wusste noch, was Frauen wünschen, auf den Fernsehschirmen in Berlin gab es fünf Programme, drei West, zwei Ost und alle sendeten schwarz-weiß. Aber die durfte man ja eigentlich nicht sehen, denn, das war damals schon ausgemachte Sache, Fernsehen ist irgendwie nicht gut für Kinder, da werden sie blöd von.

Weshalb es, so Mitte der sechziger Jahre, auch noch kein richtiges Kinderprogramm im Fernsehen gab, keine Sesamstraße, keine Rappelkiste und die Maus mit ihrer Sendung, die gab es natürlich auch nicht. Es gab nur zweierlei: das Sandmännchen und die Augsburger Puppenkiste.

Die wiederum durfte man sehen. Wahrscheinlich, weil die Augsburger Puppenkiste gar nicht als richtiges Fernsehen galt, sondern eben Theater war. Und deshalb gibt es praktisch keinen 35- bis 45-Jährigen in Deutschland, der sie nicht kennt, die Insel mit zwei Bergen, den traurigen Seeelefanten oder die Blechbüchsenarmee („roll-roll“).

Katharina wartet. Nimmt sie hin, die Längen ebenso wie den Hirschkäfer mit der gepflegten Aussprache, der so Sätze sagt wie „Hirschkäfer bedürfen nun mal des Hirschen“ oder „ich duze mich nicht mit jedem“. Sie lacht über das Rentier in Turnschuhen und Tennissocken („weil sie immer so viel rennen müssen“) und fliegende Brathähnchen auf dem Weg ins Schlamasselland. Und wenn irgendjemand gesungen hätte „eine Insel mit zwei Bergen“, dann hätten wir wahrscheinlich zusammen gesungen.

Unsereins ist ja ziemlich traurig, denn der Augsburger Puppenkiste geht es nicht gut. Die Mitbegründerin Hannelore Marschall- Oehmichen ist kürzlich gestorben, die dritte Puppenspielergeneration kämpft mit den roten Zahlen, und im Fernsehen öffnet sich die Fichtenholzkiste nur noch hin und wieder. Die Zusammenarbeit ist 50 Jahre nach der ersten Fernsehausstrahlung einer Augsburger Marionettenproduktion („Peter und der Wolf“) ein wenig erlahmt. Doch wenigstens den Kinderkanal von ARD und ZDF erschüttert das gar nicht. Im Jubiläumsjahr gibt es eine kleine Reihe. Auf „Die vergessene Tür“ vom Himmelfahrtstag folgen bis Silvester noch diverse Geschichten, jeweils an den Feiertagen. Die Frage ist nur, wird es der Klientel der Kleinen von heute gefallen?

Katharina bekugelt sich derweil über das Rentier, kriegt sich nicht mehr ein, weil das Brathähnchen immer noch nicht „Schlaraffenland“ sagen kann („Affenschlaffenland?“) und freut sich über jedes Märchen, das sie wiedererkennt. Paul Maars „Die vergessene Tür“ ist voll von Anspielungen auf die Märchen der Gebrüder Grimm.

Das hat die Puppenkiste immer ausgezeichnet: Wortwitz und ein gewisses Mit-Mach-Potenzial, egal ob es was zu erkennen oder was mitzusingen gab. Und auch wenn dieses Stück hier nicht zu den ganz großen Augsburger Klassikern gehört wie Jim Knopf, Urmel oder Kalle Wirsch, es funktioniert. Scheint so, als wäre er doch noch nicht abgefahren, der letzte Zug nach Lummerland. Wie schön.

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