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Medien: Alle Wetter

Kachelmann ist überall: Ob die Sonne scheint oder der Himmel weint – die Vorhersagen werden nicht besser, dafür spannender

Von Andreas Oswald

Sie arbeiten mit Tricks. Das müssen sie, sonst gehen sie unter. Die Aufgabe eines Wetteransagers besteht darin, so zu tun, als würde er das Wetter vorhersagen. Da er das aber gar nicht kann, muss er den Zuschauer immer ein bisschen verwirren.

Und da hat jeder seine eigene Masche. Eigentlich haben sie es wirklich schwer, die Meteorologen. Das Wetter hat die dumme Eigenschaft, dass es in diesen Breiten von Natur aus instabil ist. Jederzeit kann es sich ändern. Das liegt daran, dass wir im so genannten Westwindgürtel leben. Von Westen, vom Atlantik her, zieht ein Tief nach dem anderen zu uns. So ist es abwechselnd schön oder nieselig, sonnig oder stürmisch, kalt oder matschig.

Da der Überbringer schlechter Nachrichten wenig geliebt wird, müssen sich die Fernsehmeteorologen etwas einfallen lassen. Das war der große Trick von Jörg Kachelmann: ein Wetterbericht, live, der erklärt, was sich gerade an irgendeinem Flecken in Deutschland abspielt – Extremtemperaturen, die es in einem abgelegenen Felsspalt gibt, außergewöhnliche Wetterphänomene, Anomalien, die der Zuschauer noch nicht kennt. Kachelmanns Botschaft lautet: Wetter ist nicht gut oder schlecht, Wetter ist spannend. Und wenn Jörg Kachelmann oder einer seiner Kollegen aus seiner Firma Meteomedia erklärt, wie so das Wetter in hoch gelegenen Mulden ist – dort herrschen selbst im Hochsommer nachts Minustemperaturen –, dann ist das für die meisten Zuschauer etwas ganz Besonderes, weil sie noch nie eine Sommernacht in hoch gelegenen Mulden verbracht haben. Ob die tägliche Wettersensation aus dem Kachelmann-Stall dem Zuschauer nützt oder nicht, ist nicht wichtig. Es reicht, wenn das Wetter überraschend, unberechenbar, gefährlich oder einfach nur merkwürdig ist. So macht Kachelmann die Schwäche seiner Branche zu ihrer Stärke.

Der gute alte Deutsche Wetterdienst DWD in Offenbach, von Kachelmann immer mehr aus dem Fernsehen verdrängt, warf diesem vor, ein Entertainer zu sein. Die eigene Solidität bekam aber einen gewaltigen Knacks, als der Deutsche Wetterdienst zweimal versagte. Er hatte es nicht geschafft, schwere Unwetter vorherzusagen, die wegen der fehlenden Warnung mehrere Todesopfer forderten – zuletzt vor zwei Jahren in Berlin und Umgebung, als sieben Menschen sterben mussten.

Daraufhin bekam Kachelmann den begehrten Sendeplatz nach den Tagesthemen, den der Deutsche Wetterdienst vorher hatte. Es ist eine Ironie, dass der Deutsche Wetterdienst, der noch immer das Wetter im ZDF verantwortet, ebenfalls anfing, die Prognosen unterhaltsamer zu gestalten. Gut getan hat dem ZDF diese Kachelmannisierung nicht. Zu aufgesetzt wirkt es, wenn der nüchterne Meteorologe Gunther Tiersch versucht, Leidenschaft in seine norddeutsche Kühle zu pressen, und euphorisiert einen Taifun im Pazifik vorstellt.

Schon gar nicht funktioniert das bei dem legendären Uwe Wesp, dem Dinosaurier seines Fachs. Zu seinen besten Zeiten wurden die Wolken noch mit Kreide an die Tafel gemalt. Er redete so wie ein Lehrer, bei dem die Schüler einschlafen, wenn er vorher nicht mit der Kreise quietscht. Noch heute scheint Kreide zu rieseln, wenn er redet. Und der Zuschauer zittert, ob Wesp seinen vorbereiteten Text noch glatt über die Bühne bringt. Dieses Urgestein dürfte die nachhaltigste Zuschauerbindung aller Wettersendungen haben, und er wird durchhalten, bis sein letzter Zuschauer gestorben ist. Sollte es einmal ein Wetter-Museum geben, Wesp stünde, zu einer Statue erstarrt, freundlich am Eingang.

RTL versucht es mit glatten Typen. Christian Häckl und seine Kollegen mögen gut aussehen, als Wetteransager wirken sie wie Versicherungsvertreter, bestenfalls wie Broker, oder Pokerspieler. Vielleicht waren sie früher einmal Wetterfrösche und eine Prinzessin hat sie geküsst.

Da ist doch Sven Plöger aus dem Kachelmannclan genau der richtige Vollblutmeteorologe, der schon zu Beginn einer Sendung sagt: „Ich raufe mir die Haare, obwohl das bei mir nur schwer geht.“ Wer will ihm, der später einmal als Professor Hastig der Meteorologie in die Geschichte eingehen wird, verübeln, wenn seine Prognose am Ende nicht stimmt?

Überhaupt: Zerstreute Professoren mit wilden Haaren wären die idealen Wetteransager. Kachelmann wird vielleicht einmal mit schütterem Vollbart und langen Haaren in diese Richtung gehen. Wetter ist ein chaotisches System. Deshalb kann sich dem Wetter nur derjenige wirklich nähern, dessen Inneres dem Wesen des Wetters ein wenig gleicht. Sonst würde er den Beruf nicht aushalten. Das Chaotische am Wetter muss sich auch im Äußeren ein wenig zeigen, und wenn nur die Haare ein wenig vom Wind zerzaust sind.

Das kann man von Claudia Kleinert nicht sagen. Die am solidesten wirkende – und attraktivste – Wetteransagerin, auch sie ist aus dem Kachelmann-Clan, macht deshalb genau das Falsche. Ihre langen blonden glatten Haare sehen aus, als wären sie am Rücken festgeklebt. Der Zuschauer bangt, ob die Haare verrutschen. Das lenkt von der falschen Prognose ab. Ihr strahlendes Gesicht verspricht immer nur eines: Sonnenschein.

Was kommt nach Kachelmann? Nichts. Na ja, vielleicht ein echter Wetterfrosch.

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