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Medien: Allein gegen die Atombombe

In der zweiten „24“-Staffel bekommt es Jack Bauer mit islamistischen Terroristen zu tun

Von Barbara Nolte

Die Serie „24“ hat zwei „Golden Globes“ und zwei „Emmies“ gewonnen; sie hat es bis ins Feuilleton der „FAZ“ und der „New York Times“ geschafft. Der Name ihres Hauptdarstellers, des Anti-Terroragenten Jack Bauer, ist im Englischen zum Verb geworden: Jackbauering heißt dort soviel wie zehn Probleme auf einmal zu lösen. Als die Drehbücher zur zweiten Staffel an die Schauspieler verteilt wurden, waren sie durchnummeriert und in Rot gedruckt, damit man sie nicht fotokopieren konnte. Eine Story, gehütet wie ein Staatsgeheimnis. Mehr Aufmerksamkeit, mehr Kult gab es um eine Serie schon lange nicht mehr.

Heute Abend läuft die zweite „24“-Staffel in Deutschland an. Sie läuft wieder, wenig prestigereich, auf RTL 2. Im Gegensatz zur Premiere im vergangenen September mietete RTL 2 diesmal auch keine Plakatwände, um für die Serie zu werben. Und deshalb ist es wahrscheinlich, dass „24 – The Second Day“ untergeht, wie so viele andere preisgekrönte amerikanische Serien im Programm untergehen. Die Deutschen schauen am liebsten deutsches Fernsehen. Das klingt erstmal vorbildlich. So braucht man zumindest fürs Fernsehen keine Hilfsinitiativen wie für den deutschen Film. Doch sind viele amerikanische Serien origineller als die deutschen – und kaum einer weiß das zu schätzen. „24“, die originellste Serie seit langem, hatte in der ersten Staffel durchschnittlich etwa 1,5 Millionen Zuschauer. Für die großen Privatsender ist das zu wenig.

In den neuen Folgen muss Jack Bauer einen atomaren Anschlag von islamistischen Terroristen auf Los Angeles verhindern. Er hat 24 Stunden Zeit dafür. Auch in der zweiten Staffel behält die Serie also die Erzählstruktur in Echtzeit bei: Die 24 jeweils einstündigen Folgen zeigen einen Tag im Leben des Jack Bauer. Dass einer seiner Kollegen mit den Terroristen zusammenarbeitet, macht Bauers Job nicht leichter. Jeder gerät mal in Verdacht, jeder misstraut jedem. Als Zuschauer wird man zum Verschwörungstheoretiker. „24“ trifft wie keine andere Serie die amerikanische Paranoia nach dem 11. September.

Und Jack Bauer ermittelt diesmal noch skrupelloser als in der ersten Staffel. Er spielt einen ganz unamerikanischen Helden. Er hat erst einen Bart und Depressionen. Seine Frau ist tot; sie wurde beim Finale der ersten Staffel ermordet. Den Dienst bei der „Counter Terrorist Unit“ hat er deshalb quittiert. Doch als ihn der Präsident wegen des drohenden Atomanschlags um Hilfe bittet, kehrt er zurück und erschießt gleich beim ersten Verhör vorsätzlich einen Kronzeugen, weil er für seine Ermittlungen dessen Kopf braucht. „Wo ist eine scharfe Säge?“, fragt er. Die große Kunst von Kiefer Sutherland, der den Jack Bauer spielt, ist, dass einem Bauer trotzdem sympathisch bleibt.

„24 – The Second Day“ ist so spannend wie die erste Staffel. Wieder hetzt die unerbittlich tickende Uhr Jack Bauer durch Los Angeles. Wieder sitzt jeder Dialog, und wieder stimmt jede Rollenbesetzung. Der schwarze Präsidentschaftskandidat David Palmer, dem Bauer in der ersten Staffel das Leben rettete, spielt wieder mit; er ist mittlerweile Präsident geworden. Und Bauers Tochter Kim gerät auch diesmal in Gefahr – sie muss vor ihrem gewalttätigen Chef flüchten.

Und wieder wird das volle Actionfeuerwerk abgebrannt. Jack Bauer telefoniert und schießt gleichzeitig. Wie in einer Achterbahn wird er durch die Folgen geschleudert. Die Serie ist ein bisschen wie ein Experiment, wie viele Wendungen eine Handlung machen kann. Das ist der einzige Kritikpunkt: Die Form ist perfekt, doch was ist eigentlich der Inhalt?

„24“ zu schauen, ist ein bisschen wie Kartoffelchips zu essen: Man kann einfach nicht aufhören. Aber am Ende hat man nicht das Gefühl, etwas Gutes gegessen zu haben.

„24 – The Second Day“: Von heute an laufen jeden Dienstag zwei Folgen hintereinander ab 20 Uhr 15 auf RTL 2.

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