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AUS ALT MACH NEU: „Wir gehen nicht nach Berlin“

Chefredakteur Uli Baur über den Relaunch des „Focus“, die Konkurrenz zum „Spiegel“ und Helmut Markworts neue Aufgaben.

Herr Baur, am Montag erscheint der „Focus“ optisch und inhaltlich überarbeitet. Liefert er trotzdem weiterhin „Fakten, Fakten, Fakten“?


Fakten sind immer das Wichtigste, dabei bleibt es. Aber man muss auch beantworten, was man von den Fakten zu halten hat, man muss Haltung einnehmen und Standpunkte beziehen.

Hat der „Focus“ bisher zu wenig Haltung gezeigt?


Wir können noch am Profil und an der Klarheit arbeiten. Es geht aber nicht nur um politische Haltung, sondern auch um Haltung zu einzelnen Themen. Der Kern des „Focus“ bleibt bestehen, aber wir wollen weniger Klein-Klein, dafür längere Texte und mehr Tiefe anbieten.

Der Relaunch wurde unter dem Namen „Projekt Z“ entwickelt. Steht das „Z“ inzwischen eher für Zoff als für Zukunft? Helmut Markwort wollte den Relaunch unbedingt vor seinem Abschied als Chefredakteur im Oktober durchsetzen und seinem Nachfolger Wolfram Weimer bloß „leichte Korrekturen“ überlassen.

Die Idee, den „Focus“ weiterzuentwickeln, hatten wir bereits im Frühjahr 2009. Damals war Wolfram Weimer noch gar kein Thema. Jetzt haben wir uns zusammen vorgenommen, den „Focus“ toujours weiterzuentwickeln und immer besser zu werden. Es gibt kein Gegeneinander, sondern ein Miteinander. Wir sind Wolfram Weimer und seinen Ideen gegenüber sehr aufgeschlossen.

Ab dem 1. März sind Sie beim „Focus“ übergangsweise zu dritt in der Chefredaktion. Haben Sie keine Angst, sich gegenseitig auf die Füße zu treten?


Angst ist mir sowieso fremd. Und wir drei wollen doch alle Spaß miteinander haben und ein qualitativ hochwertiges Blatt machen. Wolfram Weimer wird als Entwicklungschef zunächst mehr von Berlin aus arbeiten. Die laufenden Geschäfte führen Markwort und ich als Chefredakteure weiter. Wir werden uns schon deshalb sicher nicht auf die Füße treten.

Ab Oktober wird Weimer mit Ihnen zusammen die Chefredaktion des „Focus“ bilden, Markwort wird Herausgeber. Ist ein Relaunch überhaupt möglich, wenn Helmut Markwort weiter mitmischt?


Absolut. Helmut Markwort hat klar gesagt, dass er ein vornehmer Herausgeber sein wird, sich in das Tagesgeschäft und die Entwicklung des Magazins nicht einmischen will. Im Übrigen sprechen wir nicht von einem Relaunch, sondern einer Weiterentwicklung.

Was werden künftig seine Aufgaben sein?


Helmut Markwort wird die grundsätzliche Blattlinie vorgeben und er wird nach wie vor sein Tagebuch im „Focus“ schreiben – an welcher Stelle auch immer. Das überlässt er uns als Chefredakteuren.

Wie wird die Arbeitsteilung zwischen Ihnen und Wolfram Weimer aussehen?


Das haben wir bis jetzt zwar grob, aber noch nicht en détail besprochen und bis dahin haben wir ja auch noch ein wenig Zeit.

Wolfram Weimer hat seinen Lebensmittelpunkt bisher in Berlin und Potsdam. Muss er vielleicht gar nicht umziehen, weil der „Focus“ nach Berlin kommt?

Nein, der Hauptsitz des „Focus“ wird definitiv nicht nach Berlin verlegt. Der Verleger Hubert Burda will das Blatt um sich herum haben und das bleibt auch so. Herr Weimer wird nach München ziehen.

Zu seinen Aufgaben wird auch gehören, einen weiteren Sinkflug des „Focus“ zu verhindern. Im vierten Quartal 2009 wurden nur noch 580 000 Stück verkauft, so wenig wie seit den Anfangsjahren nicht mehr.


Die verkaufte Auflage ist aber nicht gesunken, weil der „Focus“ schlechter geworden wäre. Wir haben Bordexemplare und teuer akquirierte Abos abgebaut, dadurch ist die Auflage kalkuliert zurückgegangen. Im Gegensatz zu allen Gerüchten hat der „Focus“ 2009 keine roten Zahlen geschrieben. Wenn wir jetzt noch mehr Qualität in den „Focus“ bringen, werden wir auch die Auflage stabilisieren und dann wird sie steigen. Auf eine Zahl will ich mich aber nicht festlegen.

Hubert Burda hat Helmut Markwort einmal mit den Worten vorgestellt: „This is the man who made me rich …“


… hat er über mich auch schon gesagt.

Wird er künftig über Sie und Wolfram Weimer sagen: „These are the men who saved me of becoming poor.“


„Focus“ macht Hubert Burda garantiert nicht arm. Bei fast allen Verlagen laufen in der Medienkrise die Geschäfte schlechter, und dass man heute mehr kämpfen und arbeiten muss, ist klar.

Und Sie wollen den „Focus“ wieder zur Geldmaschine machen?

Wir sind keine Geldmaschine, sondern ein Nachrichtenmagazin.

Titel wie „Die 100 besten Ärzte“ oder „Zehn Tipps: So trainieren Sie ihre Ausdruckskraft“ haben den „Focus“ eher wie ein Service-Heft aussehen lassen.

Wir werden künftig häufiger sogenannte harte Titelthemen haben aus Politik oder Wirtschaft. Gibt es aber gute, interessante Medizingeschichten, die „news to use“ sind, Nachrichten mit Nutzwert, werden wir das auch in Zukunft zum Titelthema machen. Aber sicher nicht mehr in der Frequenz wie bisher.

Politik und Wirtschaft sind typisch für den „Spiegel“. Wollen Sie dem Nachrichtenmagazin wieder mehr Konkurrenz machen?


Den Kollegen machen wir seit 1993 Konkurrenz. Uns wurde immer vorgehalten, wir wollten so sein wie der „Spiegel“, aber wir hatten stets eine andere Haltung zu den Themen. Das wird auch so bleiben.

Wird mit der Weiterentwicklung auch ein Stellenabbau einhergehen?


Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun. Aber wir werden um einen Stellenabbau wohl nicht herumkommen.

Eine Stelle könnte neu besetzt werden: Helmut Markwort war bisher „Erster Journalist“ im Hause Burda. Übernehmen Sie und Wolfram Weimer jetzt diesen Titel?

Nein, davon ist nicht die Rede.

Das Gespräch führte Sonja Pohlmann.

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