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BEHINDERTE UND MEDIEN: Aus dem Abseits heraus

Es ist was erreicht: Menschen mit Behinderung sind Thema in den Medien.

„Die Berlinerin Daniela Schulte hat zum Auftakt der ersten Kurzbahn-WM der behinderten Schwimmer in Rio de Janeiro den Titel über 200 Meter Lagen gewonnen“, meldete die Deutsche Presse-Agentur am 1. Dezember den Erfolg der blinden Athletin. Solche sportlichen Spitzenleistungen der Frauen und Männer mit schwerer Behinderung waren bis Ende der 90er Jahre für die Agenturen, Presse, Funk und Fernsehen in Deutschland kein berichtenswertes Ereignis.

Selbst Heimatzeitungen hätten ihre Erfolge kaum zur Kenntnis genommen, monierte die 28 Jahre alte Rollstuhlfahrerin Heide Kopp aus Wiesbaden bei einem Empfang des Sozialverbandes VdK im Januar 1989. Die Verwaltungsangestellte hatte bei den Paralympics 1988 in Seoul drei Gold- und eine Bronzemedaille in mehreren Schwimmdisziplinen gewonnen. Ob ihr der Urlaub gut bekommen wäre, hatten die Kollegen sie im Büro gefragt. Damals hatte nur das ZDF-Magazin „Praxis“ eine halbe Stunde von den „Olympischen Spielen der Behinderten“ berichtet. Dabei standen nicht die Leistungen der zu „Sorgenkindern“ erklärten Frauen und Männer, sondern ihre beeinträchtigte Gesundheit im Vordergrund. Kein Wunder, dass Erfolge dieser Menschen im Sport kaum bekannt wurden.

Das hat sich inzwischen durch die Vorbilder in den USA, Japan und anderen großen Nationen erfreulicherweise völlig geändert. Bei großen nationalen und internationalen Wettkämpfen sind die Medien wie der Tagesspiegel meist mit eigenen Reporterteams vertreten und berichten ausführlich über das Geschehen. „Doch wenn es um Barrieren beim gemeinsamen Schulbesuch von Menschen mit und ohne Handicaps, dem gewünschten Studium und ihrer Berufsausbildung geht,muss man mit Engelszungen reden, um überregionale Zeitungen dafür zu interessieren“, sagt Ottmar Miles-Paul, der fast blinde Landesbehindertenbeauftragte von Rheinland-Pfalz. Als Folge davon haben die Repräsentantinnen und Repräsentanten der Selbsthilfeverbände erfahren müssen, dass das, was die meinungsbildenden Medien nicht behandeln, selten bis gar nicht in der Politik stattfindet.

Ein Beispiel: Die in vier Jahren harter Verhandlungen erkämpfte UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen war in den großen Tages- und Wochenzeitungen kaum ein Thema. Und dies, obwohl die Konvention die uneingeschränkte Geltung der Menschen- und Bürgerrechte völkerrechtlich verbindlich auch für Menschen mit Behinderung vorschreibt. Da verhalf, unter anderem, eine faktenreiche Reportage mit dem Titel „Die unverdünnte Hölle“ im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ über offene und versteckte Diskriminierungen gehandicapter Menschen in Deutschland dem Vertrag im Deutschen Bundestag zur Annahme ohne die befürchteten Vorbehalte.

Die 1984 gegründete „Arbeitsgemeinschaft Behinderung und Medien (ABM)“ hat einiges erreicht bei dem Ziel, die Fähigkeiten, Leistungen, Probleme und Wünsche behinderter Menschen kontinuierlich in Presse, Hörfunk und Fernsehen zu bringen. Der Journalist und Schauspieler Peter Radtke, Initiator und hauptamtlicher Geschäftsführer der Initiative bis vor anderthalb Jahren, erreichte mit einigen regelmäßigen Sendungen im Privatfernsehen Erfolge. Auch heute, als ehrenamtlicher ABM-Vorsitzender, kämpft er weiter für das Ziel, allen Redaktionen die Relevanz des Themas Mensch und Behinderung zu verdeutlichen. „Dies umso mehr, als allein durch das Älterwerden die Zahl der Menschen mit Behinderung und die damit verbundenen Barrieren ständig größer wird“, sagt Radtke.

Hilfe in dieser Hinsicht bekommen die rund zehn Millionen gehandicapten Menschen und ihre Selbsthilfeverbände in Deutschland durch die UN-Behindertenkonvention. Sie verpflichtet die Medien, ständig über deren Situation zu informieren.

Der 3. Dezember ist Welttag der Behinderten.

Keyvan Dahesch

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