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Medien: Boßdorf bleibt im Amt

Der ARD-Sportkoordinator berichtet nicht von Olympia und der Tour de France

Der unter Stasi-Verdacht stehende ARD- Sportkoordinator Hagen Boßdorf kommt mit einer Abmahnung davon. Außerdem verzichtet er freiwillig, so lautet jedenfalls die offizielle Sprachregelung, bei den Olympischen Spielen in Turin und der kommenden Tour de France auf Einsätze vor der Kamera. Seinen Posten als Sportkoordinator hat Boßdorf damit jedoch erst einmal gerettet. Die ARD-Intendanten kamen auf ihrer gestrigen Konferenz in Köln zum Schluss, dass er bis zum Vertragsende am 31. März 2007 in der ARD-Programmdirektion in München bleiben darf. Der WDR-Chef Fritz Pleitgen stellte Boßdorf sogar eine Vertragsverlängerung in Aussicht: Er verdiene eine „Comebackchance“, wenn seine Auskünfte diesmal stimmten.

Zufällig hatte die Birthler-Behörde im vergangenen Jahr in ihrem Leipziger Archiv neue Akten gefunden und den Stasi-Fall Boßdorf wieder ins Rollen gebracht. Es war bereits bekannt, dass Boßdorf im Soldatensender des Stasi-Wachregiments Feliks Dzierzynski gearbeitet hatte. Eine IM-Tätigkeit hatte er jedoch immer bestritten. Der neue Fund enthielt Briefe, die Boßdorf an West-Besucherinnen der DDR geschrieben hatte. Die Akten legten den Schluss nahe, dass Boßdorf alias „IM Florian Werfer“ die jungen Frauen als Agentinnen anwerben sollte.

Der NDR entschied nach der Lektüre, Boßdorfs Vertrag als NDR-Sportchef aufzulösen. Eigentlich hätte er im Frühjahr Gerhard Delling ablösen sollen. Um zu überprüfen, ob Boßdorf in seiner jetzigen Funktion tragbar sei, gab der ARD-Vositzende Thomas Gruber beim Berliner Historiker Jochen Staadt ein Gutachten in Auftrag. „Wenn das Gutachten zu dem Schluss gekommen wäre, dass in den Akten nichts wesentlich Neues gestanden hätte, hätten wir gar nichts gemacht“, sagte Gruber gestern. Doch Staadt zog Boßdorfs Glaubwürdigkeit in Zweifel: Er wies unter anderem darauf hin, dass sich Boßdorf mit Stasi-Leuten verabredet, in konspirativen Wohnungen getroffen und einen Decknamen akzeptiert habe. Am Montag hat Boßdorf selbst noch mal auf der Intendanten-Konferenz vorgesprochen. „Er bedauerte, damals nicht standhaft gegenüber der Stasi gewesen zu sein“, berichtete WDR-Chef Fritz Pleitgen. Boßdorf habe sich auch bei Marianne Birthler, der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, dafür entschuldigt, ihre Behörde im Dezember als „Jagdverein gegen Ostdeutsche“ bezeichnet zu haben. Als weiteren mildernden Umstand wertete ARD-Programmchef Günter Struve, dass Boßdorf niemandem geschadet habe. „Und ich habe alle achtzig Seiten der Akte gelesen!“ So beschlossen die Intendanten tags darauf einstimmig, Boßdorf nur abzumahnen und nicht zu kündigen. „Eine Abmahnung ist ein sehr deutliches Signal, da darf nicht mehr viel passieren“, sagte Pleitgen. Die Intendanten „missbilligten ausdrücklich“, so hieß es in ihrer gemeinsamen Erklärung, dass Boßdorf bei seiner Berufung zum Sportkoordinator im Jahr 2002 zu seinen Stasi-Kontakten unvollständige Auskünfte gegeben habe. Aber es ist wohl nicht nur Milde, warum die ARD ihren Mitarbeiter Boßdorf behält: Eine Kündigung wäre von Arbeitsgerichten wahrscheinlich aufgehoben worden.

Eine weitere Personalie teilte Günter Struve gestern mit: Thomas Baumann vom MDR wird neuer Chefredakteur und Politikkoordinator der ARD. Der 44-Jährige, der seit 1999 stellvertretender Chefredakteur Fernsehen im ARD- Hauptstadtstudio ist, soll am 1. Juli die Nachfolge von Hartmann von der Tann antreten. Was Struve selbst anging, wurde noch keine Entscheidung getroffen. In den vergangenen Wochen war das Gerücht aufgekommen, sein Vertrag könnte noch einmal verlängert werden. Einige Intendanten wollen ihren erfolgreichen Programmchef gerne behalten. Struve sagte, dass er aus persönlichen Gründen an die US-Westküste gehen wolle. Sein Vertrag laufe aber noch 15 Monate. So früh sei in der ARD noch nie ein Nachfolger berufen worden.

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