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Medien: Click der Dichter

Mit lyrikline.org gründete die literaturWERKstatt berlin im November 1999 die erste Plattform, die Stimmen deutschsprachiger Lyrikerinnen und Lyriker in einem kostenlosen Tonarchiv versammelt.

Mit lyrikline.org gründete die literaturWERKstatt berlin im November 1999 die erste Plattform, die Stimmen deutschsprachiger Lyrikerinnen und Lyriker in einem kostenlosen Tonarchiv versammelt. Das Besondere daran: Hier spricht der Dichter selbst. So auch Paul Celan, dessen "Stimmen" mehr als 30 Jahre nach seinem Selbstmord in Paris wieder lebendig werden. Eine Audioproduktion des NDR von 1965 auf der Website macht es möglich: "Stimmen im Innern der Arche: Es sind nur die Münder geborgen. Ihr Sinkenden, hört auch uns", tönt es aus den PC-Lautsprechern.

Die Besucher der Lyrikline hören neben Paul Celan am liebsten Gottfried Benn. Aber auch zeitgenössische Autoren wie H.C. Artmann oder Durs Grünbein. "Im letzten Jahr haben wir zusätzlich 20 Dichter aus anderen Ländern aufgenommen", sagt Heiko Strunk, Projektleiter der Lyrikline. "Wir bieten unseren Besuchern nun englische, französische, ungarische, isländische und sogar japanische Lyrik an."

Im Studio der literaturWERKstatt in Berlin werden die Gedichte gemeinsam mit den Dichtern aufgezeichnet. "95 Prozent unseres Angebots stammt von zeitgenössischen Autoren," so Strunk, denn das Material verstorbener Dichter sei sehr teuer. Aktuelle Ereignisse wie die Terroranschläge in den USA oder der Krieg in Afghanistan haben bisher keine Auswirkungen auf das inhaltliche Angebot. "Der zeitliche Vorlauf für unsere Produktion ist für aktuelle Themen einfach zu groß", sagt Heiko Strunk. Außerdem hätten Gedichte selten ein wirklich konkretes Thema: "Die Autoren schreiben eher über Krieg oder Liebe allgemein."

Die Gedichte stehen sowohl im Original als auch in deutscher Übersetzung zur Verfügung. Inzwischen sind 70 Autoren mit 700 Gedichten aus zwölf Sprachen, einer Biografie und einer Bibliofaphie vertreten. Im Mittelpunkt des Web-Angebotes steht der ursprünglichste poetische Ausdruck: das gesprochene Wort. Die Lyrik wird zu einem multimedialen Erlebnis. "Gedichte, die in ihrer Verdichtung gern als kryptische Gebilde erachtet werden, entschlüsseln sich, wenn die menschliche Stimme dem Text einen Klang verleiht", heißt es auf der Website, die in den zwei Jahren ihres Bestehens über 200 000 Besucher zählte.

Dem Buch soll durch das Tonarchiv keinesfalls der Platz streitig gemacht werden. Es geht Lyrikline darum, das Internet für die weltweite Verbreitung der Poesie zu nutzen. Das Ziel der Initiatoren ist ein internationaler Verbund von Lyrikplattformen, auf die über lyrikline.org zugegriffen werden kann. Dabei funktioniert Lyrikline auch als Sprungbrett zu anderen Internet-Seiten, die sich dem geschriebenen oder gesprochenen Wort widmen. Dass die Lyrik-Seiten alles andere als statisch sind, zeigt der News-Bereich, der sowohl über Neuigkeiten wie die Verleihung des Büchner-Preises als auch über Lesungen wie die von Urs Allemann in Berlin unterrichtet.

Die Träger und Partner der Lyrikline, darunter das Goethe-Institut und die Zentral- und Landesbibliothek Berlin, verabschiedeten vor wenigen Tagen eine Vereinbarung, durch die lyrikline.org zu einem von internationalen Institutionen getragenen Lyrik-Netzwerk wird. In diesem Jahr wurde das Angebot bereits mit dem UN-Logo für den "Dialog zwischen den Kulturen" ausgezeichnet. Die Lyrikline, die bereits unter der Schirmherrschaft von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse steht, wird für 2002 unter die Patronage der Unesco genommen.

Sabrina Ortmann

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