zum Hauptinhalt

Medien: Das kontrollierte Netz

China verbrämt weitere Internet-Zensur als „dem sozialen Fortschritt“ dienlich

Ein so hässliches Wort wie „Zensur“ würden Chinas Staatsmedien natürlich nie verwenden. „Gesund und zivilisiert“ solle das Internet künftig werden, kündigte stattdessen vor einigen Tagen die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua den Chinesen an. Webseiten dürften nur noch Nachrichten verbreiten, die „vorteilhaft für die Verbesserung der Qualität der Nation sind, der wirtschaftlichen Entwicklung dienen und zu sozialem Fortschritt führen“, hieß es weiter. Was das konkret bedeutet, kennen die rund 100 Millionen Internetnutzer in der Volksrepublik aus der Vergangenheit: Pekings Führung verschärft wieder einmal die Kontrolle über das Internet.

Mehrere Journalisten und Bürgerrechtler wurden in jüngster Zeit wegen Internetvergehen eingesperrt: Der freie Journalist Zheng Yichun wurde am 22. September zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, weil er in einem Webforum und in Aufsätzen politische Reformen gefordert hatte. Im Juli schickte ein Gericht in der Provinz Anhui Zhang Lin für fünf Jahre ins Gefängnis, der einen Punk-Song ins Internet gestellt hatte. International am bekanntesten war der Fall des Journalisten Shi Tao, der im April zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde, weil er von seiner Redaktion eine Warnung der chinesischen Regierung vor dem Jahrestag des Tiananmenmassakers an eine ausländische Menschenrechtsorganisation gemailt hatte. Die Informationen und angebliche Beweise für die Verurteilung Shi Taos hatte jedoch der Internetriese Yahoo den chinesischen Behörden zugesteckt, bei dem Shi sein E-Mail-Account hatte. Kritiker werfen Yahoo vor, Geschäftsinteressen über die Menschenrechte zu stellen. Im August hatte sich Yahoo für eine Milliarde US- Dollar bei dem chinesischen Internetunternehmen Alibaba eingekauft.

Mit den neuen Bestimmungen will Pekings KP-Regierung nun auch die organisatorische Kontrolle über das Internet verschärfen. Oberste Zensurbehörde ist dabei wie bei allen andere Medien die Propagandaabteilung der Kommunistischen Partei, die bis heute jedes Wort in Zeitungen und im Rundfunk kontrolliert. Ausdrücklich verboten ist die Verbreitung von „Informationen über illegale Versammlungen, Demonstrationen, Aufmärsche und Zusammentreffen“. Pekings Führung um Staats- und Parteichef Hu Jintao hat offenbar die Sorge, dass die wachsenden sozialen Spannungen im Land aus dem Ruder laufen könnten. Immer öfter gehen Chinesen auf die Straße, um gegen soziale Ungerechtigkeiten zu protestieren. Das Ministerium für Öffentliche Sicherheit registrierte im vergangenen Jahr mehr als 74 000 Zwischenfälle. „Das Internet ermöglicht den Leuten, sich zu organisieren, und ist deshalb eine Bedrohung für die Regierung“, sagt Law Yuk-kai von der Hongkonger Gruppe „Human Rights Monitor“.

Noch kann Pekings Regierung jedoch ihr Informationsmonopol im Internet durchsetzten – vor allem dank ausländischer Unterstützung. Internationale IT-Firmen wie Cisco Systems und Microsoft haben Pekings Regierung in den vergangenen Jahren modernste Filter und Kontrolltechnik verkauft. Google, Yahoo und andere Internetfirmen unterzeichneten zudem Abkommen mit Peking, die sie praktisch zur Selbstzensur verpflichten. Wenn ein Chinese im Internet nach Taiwan oder Tibet sucht, erhält er deshalb nur Webseiten mit staatlicher Propaganda. Alle in China empfangenen oder gesendeten E-Mails werden zudem automatisch nach Schlüsselwörtern wie „Demokratie“ oder „Menschenrechte“ durchsucht.

Die „Große Mauer“ nennen Kritiker Pekings aufwändige und technisch immer anspruchsvollere digitale Zensur. 30000 so genannte „Internet-Polizisten“ durchstöbern im Auftrag der Regierung Webseiten nach kritischen Inhalten. Internetcafés müssen zudem alle Besucher mit ihren Verbindungsdaten registrieren. Die Behörden können damit auch Monate später noch gegen einzelne Benutzer vorgehen.

Die Zensoren haben vor allem „Blog“-Tagebücher im Auge, die auch in China immer populärer werden. Oft sind das harmlose Fanseiten wie „Gou Ribao“ (Hunde-Zeitung) oder „Dui niu luan tanpin“ (Wirre Musik für eine Kuh spielen), eine IT-Fachseite. Einer der Top-Blogs ist derzeit „Amanda Ba“, ein romantisches Tagebuch aus Geschichten, Musik und Bildern, das nach Angaben der Seite mehr als 10 Millionen Besucher hatte. Die Grenzen für Blogger sind in China jedoch eng gesteckt. Als eine Frau unter dem Blog-Namen „Zhuying Qingtong“ (Bambusschatten auf schwarzen Augen) Anfang vergangenen Jahres Nacktfotos von sich ins Netz stellte, wurde ihre Seite umgehend von den Behörden gesperrt. Das gleiche Schicksal traf nun den Blog „Antis tägliche Gedanken über Politik und Nachrichten“. Ein Pekinger Journalist hatte darin Berichte über die Zensurbestimmungen veröffentlicht.

Harald Maass[Peking]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false