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DER BALL  ist eckig: Der Kern des Bösen

Achtung, Ohrwurm-Gefahr: Nichts nervt mehr als frühmorgendliche Radiowerbung, die sich zu einem "So seh'n Sieger aus, scha-lala-lala" steigert.

Seit Monaten beginnt mein Tag mit einer nicht ungefährlichen sportlichen Übung, egal wo ich gerade bin. Ich springe tropfnass aus der Dusche, renne barfuß aus dem Schlafzimmer, hechte mit vollem Mund über den Frühstückstisch – nur um das Radio rechtzeitig abzuwürgen. Schon lange vor der EM hat ein zur Volkswagen AG gehörender tschechischer Autobauer begonnen, eine fußballbasierte Werbung auszustrahlen. Der Spot hebt einigermaßen nüchtern an, steigert sich dann aber rapide in Infantilität und Penetranz, um in einem triumphierenden „So seh’n Sieger aus, scha-lala-lala“ zu kulminieren. Dann ist alles zu spät, der Hechtsprung über Brötchen, Marmelade und Müsli war vergeblich. So seh’n Sieger aus, scha-lala-lala, morgens um sieben, immer wieder, das ist menschenverachtend.

Wenn Sie jetzt einen Ohrwurm haben: Tut mir leid, aber warum sollte es Ihnen besser gehen als mir? Vor Gott und der EM sind wir alle gleich. Oft, auch an dieser Stelle, wird der TV-Kommentator als Hauptärgernis jedes Turniers gegeißelt. In Wahrheit allerdings stellt die Werbung den Kern des EM-Bösen dar. Im Radio wird jedes noch so abwegige Produkt mit Fangesängen beworben, im Fernsehen ist es kaum besser. Ein deutscher Autobauer, der nicht zur Volkswagen AG gehört, hat sich seinen EM-Spot wahrscheinlich ein paar Millionen kosten lassen. Dafür hat er ein Musik-Schnitt-Spektakel bekommen, dass einem jede Lust auf Fußball und Autos vergehen lässt.

Ein bisschen Trost bringt mir allein die Radiowerbung eines großen Elektronikmarkts. In dem ansonsten belanglosen Spot lallt ein gewisser König Fußball Weisheiten wie „Die Null muss stehen“ und klingt dabei herrlich versoffen. Vielleicht ist ein frühes Bier doch die bessere Lösung als der Sprung über den Frühstückstisch. Scha-lala-lala.Lars Spannagel

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