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Medien: Der Beziehungen implodieren lässt

Für „Familienkreise“ bekam Regisseur Stefan Krohmer den Grimme-Preis. Der BR zeigt den Film

Er ist der Shooting-Star des deutschen Fernsehfilms, hat mit Hannelore Elsner und Götz George gearbeitet und innerhalb von drei Jahren zwei Grimme-Preise in Gold erhalten, von denen er einen am Wochenende in Marl überreicht bekam. Stefan Krohmers Karriere klingt nach Glamour, Starkino und großem Auftritt. Nichts von alledem trifft auf den 33- jährigen Regisseur aus Schwaben zu, der mit seinem schmalen, nachdenklichen Brillengesicht an Woody Allen erinnert und auf Filmpartys schon mal übersehen wird.

Die Rolle des distanzierten Beobachters ist es, die ihn für seine grandiosen, angenehm kühlen Kammerspiele prädestiniert. Es sind unprätentiöse Filme über Menschen, deren Leben in dokumentarisch anmutendem Realismus geschildert wird. Nach außen sichtbar geschieht wenig Aufregendes, aber inwendig verkehren sich die Dinge ununterbrochen, so dass Beziehungen oft gleichsam implodieren. Wie etwa die des in die Jahre gekommenen Auslandskorrespondenten Raimund (Götz George) zu seinen beiden Söhnen in dem Film „Familienkreise“: Der eine Sohn lebt noch bei der Mutter in Bonn und wird vom zurückkehrenden Vater kurzerhand vor die Tür gesetzt. Der andere kommt zu Besuch aus Hamburg, wo er einen eigenen Verlag leitet, und liefert sich, gutmütig wie er ist, unversehens wieder dem despotischen Vater aus.

Selten hat man Götz George so bar aller Manierismen gesehen wie in diesem Film. Offenbar hat Stefan Krohmer mit seiner feinfühligen Regie ganze Arbeit geleistet. „Klar hatte Götz George eine starke eigene Vorstellung von seiner Rolle, und die kollidierte streckenweise mit meiner“, erzählt er. „Wir mussten uns das gegenseitige Vertrauen immer wieder neu erarbeiten. Und das war sehr anstrengend für beide Seiten.“ Als Beispiel schildert er eine Szene, in der die Familie am Kaffeetisch sitzt, Raimund zum ersten Mal der Freundin des älteren Sohnes begegnet und ihr indirekt zu verstehen gibt, dass er sie nicht ernst nimmt. „Götz hatte das zunächst als Konfrontation angelegt. Für mich hingegen ging’s bei der Szene nur ums Kuchenessen“, sagt Krohmer. „Da reicht es dann, während des Essens die Bemerkungen en passant fallen zu lassen.“ Leicht vorzustellen, dass der Vollblutmime gerne mehr aus der Szene herausgeholt hätte. Lautstarke Diskussionen am Set gab es dennoch nicht: „Wir haben dann einfach sehr lange daran herumgemacht“, so Krohmer. „Aber ich gehe auch nicht davon aus, dass alles aus einer Harmonie heraus entstehen muss. Diese Art des Generationenkonflikts fand in diesem Fall seine Entsprechung im Film und war somit dem Ganzen nicht abträglich.“ Und während er das sagt, kann man es kaum fassen, dass es im Filmbusiness jemanden gibt, der dermaßen uneitel und sachbezogen ist. Das schätzen auch die Schauspieler an ihm: „Stefan Krohmer erzählt Geschichten auf einem sehr ehrlichen, zurückgenommenen Level. Und das bringt eine Konzentration, die mich fasziniert“, sagt etwa Anneke Kim Sarnau, die bisher in dreien seiner Filme mitgespielt hat.

Dieser nüchterne, analytische Blick auf verschrobene bis grausame Alltagsdramen wird in seinen Filmen stets aufgefangen von trockenem Humor und bisweilen erinnerungswarmer Nachsicht. Verantwortlich dafür ist Drehbuchautor Daniel Nocke, 35, mit dem Krohmer von 1994 an die Ludwigsburger Filmakademie besuchte und mit dem er seither eng zusammenarbeitet. Beide wurden von Nico Hoffmann, der dort als Dozent arbeitet, nach ihrem Abschluss in dessen Produktionsfirma Teamworx geholt, wo er sie seither nach Kräften fördert. Beide leben mittlerweile in Hamburg. Mit Daniel Nocke verbindet Krohmer eine gute Freundschaft und eine ähnliche Sicht auf die deutsche Gegenwart. Die Figuren, von denen sie erzählen, verlangen nicht nach Anteilnahme. Sie werden mit all ihren Brüchen präzise, auch liebevoll beschrieben. Wie etwa in dem Kinofilm „Sie haben Knut“, der von der teilweise grotesken Gruppendynamik der 80er erzählt. „Ich mag die Figuren in diesem Film alle“, sagt Krohmer, der in dieser Zeit ebenso wie Nocke in einem Pädagogenmilieu aufwuchs.

Das nächste Gemeinschaftswerk von Krohmer und Nocke zeigt das ZDF am 17. Mai. Obwohl der Titel „Scheidungsopfer Mann“ nach einem lustigen Movie klingt, wird es wieder die Geschichte einer implodierenden Beziehung sein: Ein Paar (Christoph Waltz und Nina Weniger) lässt sich scheiden und lernt sich durch seine Streitigkeiten auf ganz neue Weise kennen. Also wieder sehr ambivalente Figuren. „Ambivalenz“, sagt Krohmer, „ist das Wichtigste. Wenn der Zuschauer denkt, er hat eine Figur verstanden, musst du ihn nach 15 Minuten enttäuschen. Es gibt nichts Langweiligeres als Eindeutigkeit.“

„Familienkreise“, 0 Uhr, BR

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